1110 Verwaltungserekution.
auch nach der späteren Trennung von Verwaltung und Justiz bei den Civilgerichten.
Seit den Zeiten des IRA. galt es nunmehr als gemeinrechtlich feststehend, daß
mit dem gewöhnlichen obrigkeitlichen Zwangsverfahren auch Civilurtheile aus obli-
gationes ad faciendum vol non faciendum erzwungen werden können. Die Publi-
zisten stellen dies Zwangsverfahren für verfassungsmäßige Verordnungen und Ver-
fügungen der Landesobrigkeit als feststehendes Herkommen hin (wie Pütter a. a. O.
§ 242). Die Gerichtsurtheile citiren dafür gewöhnlich K.G.O. III. Tit. 58;
In A. 8§ 159, 160, 162, obgleich diese Reichsgesetze das zu Beweisende
nicht enthalten, sondern der IR A. nur eine Sonderbestimmung bezüglich der
Urtheile auf non facere trifft. Eben deshalb pflegte man dann noch die Citate
aus den angesehensten Prozeßschriftstellern hinzuzusfügen (Hommel, Danz,
Claproth, Martin te.) bis zu den neueren herab (Linde, Bayer,
Wetzell 2c.), welche freilich auch keine weitere Begründung zu geben vermögen
(z. B. das Urtheil in Seuffert's Archiv Bd. 25 Nr. 293). Es handelte sich
eben um das Gemeine Recht der „Oberkeiten“, wie es aus der Zeit überkommen
war, wo das „Gericht“ die ganze obrigkeitliche Gewalt umfaßte mit gleichartigen
Zwangsbefugnissen für ihren gesammten Wirkungskreis. Ein Unterschied lag nur
darin, daß in Verwaltungssachen mandata sine clausula auf bloße querela oder
Extrajudizialappellation ergingen, im Streit über Privatrechte erst nach vorgängiger
cognitio et sententia. Erst nach der langsamen Auseinandersetzung zwischen Justiz
und Verwaltung (Stölzel, Die Entstehung des gelehrten Richterthums, 1873) er-
scheint nun die Civilexekution von der Verwaltungs exekution getrennt, als zur
Kompetenz verschiedener Reihen von Behörden gehörig. Der parallele Gang der
Behandlung beider Anwendungen des obrigkeitlichen Zwangsrechts dauert übrigens auch
in der heutigen gemeinrechtlichen Praxis fort, d. h. die gleichartige Behandlung der
V. und der Civilexekution sowol ad faciendum wie ad non faciendum (vgl. z. B.
die deklarirende Mecklenburger Exekutionsordnung vom 30. Sept. 1857 88§ 36, 37).
In das Verwaltungsrecht der neueren Deutschen Territorialstaaten ist dies
System übergegangen als das hergebrachte Gemeine Recht der Deutschen
Obrigkeit. Es ist nicht von den Civilgerichten auf die Verwaltungsbehörden
übertragen oder von diesen usurpirt, sondern ein Ausfluß des Rechts der Obrigkeit
zu Gebot und Verbot, von welchem die Civilexekution aus rechtskräftigem Urtheil
nur eine unter vielen Anwendungen darstellt. Wie das heutige Englische Recht es
als selbstverständlich ansieht, daß, wo das Gesetz keine bestimmte Weise der Voll-
streckung angiebt, der obrigkeitliche Befehl durch Pfändung oder Haft erzwungen
werden kann (Gneist, Das Selfgovernment, S. 482, 831), wie schon das Römische
Verwaltungsrecht die mulcta und die Pfändung, wie das kanonische Recht des Mittel-
alters Cenfur und Exkommunikation als felbstverständliche Attribute der
Obrigkeit angesehen, so ist dies auch in Deutschland geschehen.
Wenn nunmehr die neuen Landesgesetzgebungen von Zeit zu Zeit Vorschriften über
die Zwangsgewalten einzelner Verwaltungsstellen geben, so liegt darin keine Bei-
legung neuer Befugnisse, sondern nur eine deklarirende, definirende und
moderirende Verwaltungsnorm, die in dem heutigen Leben einen zwiefachen
Zweck verfolgt.
Im Interesse der Behörden: in den größeren Staaten die Centralbehörden
zu entlasten, indem man ihnen die täglich vorkommenden kurrenten Fälle eines
Zwangsverfahrens ohne Rückfrage bei der Oberbehörde auf eigene Verantwortung
zu erledigen überläßt.
Im Interesse der Unterthanen: indem man ihnen durch feste Begrenzung
des Maßes der anzudrohenden Zwangsmittel die Garantie einer modica coercitio
giebt, gegen die Möglichkeit eines harten und gewaltthätigen Verfahrens der Orts-
und Bezirksämter, — vergleichbar den Römischen leges mulctatitiae, die in demselben
Sinne erlassen wurden.