Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1118 Verwaltungsjurisdiktion, Verwaltungsjustiz. 
zu gewinnen, und gelangt damit zu einem stufenweis geordneten umständlichen „Dis- 
ziplinarversahren“, welches folgerichtig auch auf die Organe der Gemeindeverwaltung 
ausgedehnt werden mußte, soweit sie als Organe der Staatsverwaltungsnormen 
(mittelbare Staatsbeamte) thätig werden. Die Umständlichkeit dieses Systems ist um 
den Preis eines ehrenhaften und berufsmäßig gebildeten Beamtenstandes nicht zu 
theuer erkauft. Der Zweck einheitlicher Ausführung des Staatswillens aber wird 
auch auf diesem Wege erreicht. 
2) Die geschäftliche Aufsichtsinstanz, welche sich in Preußen seit dem 
Großen Kurfürsten in ungewöhnlicher Ausdehnung entwickelt hat, stellt zunächst den 
Kreislandrath neben die kleineren Ortsbehörden mit der Befugniß der Korrektur 
ihrer Verwaltungsdekrete (supplendi et corrigendi causa). Als commissarius per- 
pe#tuus ordnet sich dieser Beamte den Verfügungen der Kriegs= und Domänenkammern, 
des Generaldirektoriums, in weiteren Kreisen des geheimen Staatsraths und des 
Monarchen selbst unter. Die einst von den Reichsgesetzen geschaffene Rechtsbeschwerde 
(aquerela) bei den Reichsgerichten hat erst in diesem Behördensystem ihre volle Ent- 
wickelung erhalten, als das durchgreifende Mittel einer Nachprüfung aller 
Verwaltungsakte in jure und in fkacto. Die Oberbehörde kann jederzeit e # 
oficio einschreiten; noch häufiger auf Antrag eines Betheiligten durch „Be- 
schwerde“, die in den Territorien als Recht eines jeden Unterthanen galt, da sie als 
Surrogat der reichsgerichtlichen querela eingetreten war. Durch dies Eintreten auf 
Antrag erhält die geschäftliche Aufsichtsinstanz einen zweiseitigen Charakter, kraft 
dessen sie zum Rechtsmittel wird, auf dem der Rechtsschutz des Einzelnen im Ver- 
waltungsrecht bis zur neuesten Reform vorzugsweise beruhte. 
3) Als besondere Kontrole der finanziellen Seite der Staatsverwaltung 
tritt hinzu die Rechnungskontrole, durch stufenweise organische Einrichtungen bis zur 
Oberrechenkammer hinaufgeführt, welche in Preußen mit unerbittlicher Strenge ge- 
handhabt, eine Hauptgarantie der Integrität unseres Beamtenthums geworden ist. 
Gegenüber diesen zusammenhängenden, täglich wirksamen Verwaltungskontrolen 
bilden die nachfolgenden Rechtskontrolen nur festbegrenzte Ergänzungen und Sicher- 
heitsventile. Die Wirklichkeit weicht hier von den Vorstellungen des Berufsjuristen 
ab. Auf den administrativen Kontrolen an erster Stelle beruht die Wirksam- 
keit, die Kraft, die Integrität, der Geist, das eigentliche Leben jeder Staats- 
verwaltung, nicht aber auf hunderten von Verwaltungsklagen, welche man sich nach 
privatrechtlichen Gesichtspunkten ausdenken mag. 
II. Die Rechtskontrolen der Verwaltung dagegen sollen bestimmungs- 
mäßig dem einzelnen Unterthanen einen Rechtsschutz ex debito justitiae gewähren, 
im Fall ein Verwaltungsakt durch Schuld der Beamten oder aus Mißverständniß 
im Widerspruch mit den Gesetzen und Verordnungen der Staatsgewalt 
tritt. Es liegt darin kein Eingriff in die monarchische Regierung nach dem verpönten 
System der „Theilung der Gewalten“, auch keine „Unterordnung“ der Verwaltung 
unter die Gerichte: sondern ebenso wie in der administrativen Kontrole eine zur 
Ausführung des Staatswillens und der Autorität der Gesetze des Landesherrn ge- 
schaffene Institution, welche, indem sie die Beamten vor der Versuchung bewahrt, 
nur zur Stärkung des Ansehens der Monarchie und der obrigkeitlichen Gewalt dient. 
Diese Rechtskontrolen bilden wiederum ein dreifaches System. 
1) Die ordentlichen Civilgerichte entscheiden selbständig über die Aus- 
legung von Verwaltungsgesetzen und Staatsverträgen überall, wo solche den Obersatz 
einer civilrechtlichen Entscheidung bilden, — zwar nicht mit der Wirkung einer 
authentischen, die Verwaltung bildenden Auslegung, aber mit einer Autorität für 
die öffentliche Meinung, der sich erfahrungsmäßig keine Ministerverwaltung ent- 
ziehen kann. Insbesondere entscheiden die Civilgerichte direkt über öffentlichrechtliche 
Verhältnisse, indem sie a) jedes ius speciali titulo acquisitum nach Deutschem 
Grundsatz auch gegenüber der Staatsgewalt schützen; b) durch die actiones
	        
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