1126 Verwandtschaft.
der That kommt diese Bezeichnung für den Aufsichtsrath von Genossenschaften vor
(Entsch. des ROG. Bd. XXIV. Nr. 112).
Gsgb. u. Lit.: Vgl. dieselbe hinter den Art.: Aktiengesellschaft, Kommandit-
gesellschaft und Genossenschaften. O. Gierke.
Verwandtschaft ist entweder eine natürliche oder eine künstliche.
1. Die natürliche V. (bei den Römern cognatio) beruht auf den natür-
lichen Begebenheiten der Zeugung und Geburt (I. 1 § 1 D. 38, 8). Sie bezeichnet
das auf diesen Grundlagen beruhende Verhältniß von Menschen, welche entweder
mittelbar oder unmittelbar von einander oder von einem gemeinsamen Dritten ab-
stammen. Danach theilt sich die V. in die linea recta und 1. transversa 8.
obliqua. Die erstere umfaßt alle Personen, welche von einander abstammen, nämlich
Ascendenten (I. superior) und Descendenten (I. inferior); die letztere begreift die-
jenigen, welche ihre Abstammung von derselben dritten Person herleiten (Seiten-
verwandten). Die Seitenverwandten wiederum sind vollbürtige oder halbbürtige,
je nachdem sie dieselben oder nur einen der beiden Eltern gemeinsam haben. Die
Römer wenden diese Unterscheidung vorzugsweise auf Geschwister an; sie nennen
vollbürtige Geschwister: bilaterales, germani (h. z. T. nur germani) und von den
halbbürtigen: consanguinei, wenn sie nur denselben Vater, und uterini, wenn sie
nur dieselbe Mutter haben (vgl. § 1 I. 8, 2; 1. 10 D. 38, 10). In Deutsch-
land spricht man ohne Unterscheidung bei Halbbürtigen von Stiefgeschwistern. In
der Seitenverwandtschaft wird von den neueren Juristen noch der sog. respectus
parentelae hervorgehoben, unter welchem man das Verhältniß eines Descendenten
zu den Geschwistern des Parens versteht (parentum loco habentur) und welches
namentlich als Ehehinderniß früher juristische Bedeutung erhalten hatte (6 5
I. 1, 10; 1. 39 pr. D. 23, 2.). Die natürliche V. kann aber auch eine mehrfache
sein, so besonders, wenn Verwandte sich heirathen, wenn Jemand sich nach einander
mit unter sich verwandten Personen verheirathet, wenn mehrere unter sich Verwandte
mit Personen sich verehelichen, welche ebenfalls unter sich verwandt sind, sowie wenn
zu der natürlichen noch eine künstliche V. tritt. (Ein Beispiel giebt von mehrfacher
V. 1. 10 § 14 D. 38, 10; vgl. Fritz, Zeitschr. f. Civilrecht u. Pr. XV. 2;
Hugo, Civ.Mag. IV. 7, 16.) Mehrfache V. giebt mehrfaches Erbrecht.
Ueber die Blutsverwandtschaft nach Deutschem Recht f. d. Art. Parentelen-
ordnung.
II. Die künstliche V.
1) Agnation (legitima, civilis cognatio, agnatio.) Diese beruht im Röm. R.
allein auf der väterlichen Gewalt, dem Prinzip der Hausgemeinschaft (familia). Die
von den Agnaten gegebene Legaldefinition (lI. 7 D. 26, 4; § 1 I. 1, 15; § 1.
I. 3, 2. u. a. m.) ist unrichtig, da sie sich nur auf die natürliche, nicht auch auf
die juristische Entstehung bezieht und auch übersieht, daß man durch eine juristische
Thatsache wieder aus dem Agnatenverbande scheiden kann. Agnaten sind vielmehr
die durch patria potestas (früher auch manus), mit einander verbundenen oder ver-
bunden gewesenen Menschen; sie bilden die familia proprio jure, wenn der gemein-
same Hausvater die patria potestas noch inne hat, und nach seinem Wegfall die
familia communi jure (1. 195 § 2 D. 50, 16). In älterer Zeit ist allein die
Agnation Quelle von Rechtsverhältnissen und schließt gleichzeitig die Kognation in
sich, die dann freilich mit jener wieder verschwindet (I. 10 § 4 D. 38, 10; 1. 23
D. 1, 7; § 2 I. 1, 10; § 11 I. 3, 1). In der Kaiserzeit wird sie dagegen
immer mehr durch die natürliche V. verdrängt (so bef. im Intestaterbrecht), ohne
jedoch im Justinianischen Recht (bef. bei der Adoption) gänzlich ihre Bedeutung
verloren zu haben (Buchholtz, Abhandl., S. 96—105). Mit der Agnation in Ver-
bindung steht Gentilität, d. h. der Agnatenkreis, welcher nach richtiger Meinung auf
nicht mehr nachweisbarer oder doch vermutheter gemeinsamer Abstammung beruht. Sie