Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1128 Verwandtschaft. 
sich aus dem Grade der Reise des Kindes ein Beweis gegen dessen Ehelichkeit her- 
leiten (Stintzing, Jahrb. f. Dogm. IX. 5; vgl. die Dissertation von v. Wächter, 
De partu vivo non vitali und Sarrazin mit demselben Titel). Umgekehrt besteht 
die unwiderlegliche Rechtsvermuthung, daß ein nach 10 Monaten von der Auflösung 
der Ehe an geborenes Kind nicht von dem früheren Ehemann erzeugt sei (1. 3 8 11 
D. 38, 16). Besondere Vorschriften endlich sind gegeben, wenn eine Frau sich nach 
der Scheidung oder dem Tode ihres Mannes schwanger hält (vgl. Sintenis, III. 
93 ff.). Der Zeugung steht die Legitimation gleich (s. diesen Art.). Uebrigens 
treten dieselben Rechtsverhältnisse auch bei einer putativen Ehe ein (cap. 2, 8, 14, 
15, X. 4, 17). — Uneheliche V. giebt der Mutter und deren Familie gegenüber 
gleiche Rechte, wie die eheliche (I. 4 § 3; I. 5 D. 2, 4; 1. 4 D. 88, 8); nicht 
aber auch gegen den Vater und dessen Verwandte (5 12 I. 1, 10; 1. 10; 1. 28 
D. 1, 5). Später jedoch erlangten gewisse Arten von unehelichen Kindern einzelne 
Rechte gegen ihren Erzeuger, und diese sind nach Vorgang des kanonischen Rechts 
(cap. 5 X. 4, 5) durch Deutsche Gewohnheit bald allen unehelich Geborenen, welche 
nachweisen können, daß der als Vater in Anspruch Genommene während der Kon- 
zeptionszeit mit der Mutter den Beischlaf vollzogen habe, gewährt worden. (S. die 
Art. Alimentationspflicht, Adulterini.) 
Von den Partikularrechten schließen sich die meisten in dieser Frage dem Ge- 
meinen Recht an (z. B. Code civil art. 312—318), der nur die Konzeptionsfrist 
vermindert hat; nur das Preußische Allg. LR. (II. 2 § 1) läßt jedes Kind ehelich 
sein, welches in einer rechten Ehe erzeugt oder geboren ist (vgl. hierüber bes. Entsch. 
des Orib. Bd. II. S. 292). In Bezug auf uneheliche Kinder sind jedoch in den 
Gesetzgebungen auseinandergehende Ansichten vertreten. 
V. Berechnung der Verwandtschaft. Die Nähe der V. bestimmt sich 
im Römischen Recht nach der Zahl der zwischen den beiden Personen liegenden Ge- 
burten bzw. Zeugungen: tot sunt gradus, duct sunt generationes (§ 7 I. 3, 6; 
1. 10 §§ 9, 10 D. 38, 10), d. h. es werden so viele Grade gezählt, als die An- 
zahl der Zeugungen bzw. Geburten beträgt, welche zu der Entstehung jener Personen 
erforderlich war. So sind Eltern und Kinder im ersten Grade, Großeltern und 
Enkel im zweiten, ebenso Geschwister, Geschwisterkinder im vierten Grade 2c. verwandt. 
Die Römer veranschaulichten die Berechnung der V. an dem Bilde einer Treppe, 
auf welcher die Eltern eine Stufe höher stehen als die Kinder (I. 10 § 10 D. 38, 10; 
vgl. die Abhandlung und das stemma cognationis veteris ICti. in der Jurepr. ante- 
justinianea von Huschke, S. 529 ff.), doch findet sich schon hier und häufiger noch 
im Mittelalter die V. durch einen Baum (stemma, Stammbaum) versinnbildlicht, 
dessen Stamm die linea recta, dessen Zweige die linea transversa darstellen. Im 
kanonischen Recht ist diese Berechnungsweise in der geraden Linie dieselbe, in der 
Seitenlinie dagegen werden blos die Zeugungen zwischen jeder Person und dem ge- 
meinsamen Stammvater gezählt und es gelten bei ungleichen Seiten nur die Gene- 
rationen der längeren (c. 2 C. 35 qu. 2; c. 9 X. 4, 14). Die kanonische Be- 
rechnung ist jedoch nur für das Ehehinderniß wegen V. bestimmt und die Römische 
in allen anderen Beziehungen nicht nur im Gemeinen Recht, sondern auch in den 
Partikulargesetzen üblich. Ueber die Berechnung des Deutschen Rechts s. den Art. 
Parentelenordnung. 
VI. Wirkungen der Verwandtschaft. Dieselben erstreckten sich durch 
das ganze Rechtsgebiet, weil die Beziehungen des Menschen zu seinen Verwandten 
unendliche und unauflösliche sind und die Erfüllung der aus der V. hervorgehenden 
Pflichten niemals diese selbst beendigen. Hervorzuheben ist besonders das Verhältniß 
zwischen Ascendenten und Descendenten, das Erziehungs= und Züch- 
tigungsrecht, die Einwilligung zur Ehe, die Alimentation, die Erb- 
berechtigung und Erbenfolge, Familienfideikommiß, Vormunds 
schaft, Retrakt 2c. (Hierüber s. die einzelnen Art.) Daher kommt es auch, daß
	        
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