Verzicht im strafrechtlichen Sinne. 1133
möglich, auf Grund deren, wenn sie bei der mündlichen Verhandlung erklärt ist,
nach der CPO. 8 278 der Beklagte ohne weitere Beweisführung verurtheilt wird.
Auf der anderen Seite hat ein V. des Klägers auf den geltend gemachten Anspruch
die Folge, daß er mit demselben abgewiesen wird (§ 277 das.). In beiden Fällen
gewinnt der Gegner den Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache. Eine An-
fechtung des ergangenen Urtheils mit Rechtsmitteln ist nur insofern möglich, als
dasselbe über die Feststellung eines gültigen V. hinausgeht. Dagegen ist der Kläger
nur so lange, als der Beklagte noch nicht seine mündliche Verhandlung zur Haupt-
sache begonnen hat, befugt, einen V. auf die Klage in dem Sinne zu erklären, daß
er nur den gegenwärtigen Prozeß fallen lasse und sich die Wiederholung der an-
gestellten Klage vorbehalte. Näheres bestimmt die CPO. § 243. Von jenem Zeit-
punkt an hat der Beklagte, wie schon nach Röm. und Gem. Recht von der Litis-
kontestation an (I. 13 § 2 C. de ind. 8, 1:; In. § 44), ein Recht, den Prozeß
nöthigenfalls einseitig bis zum Endurtheil fortzuführen. Zulässige V. einer Prozeß-
partei bedürfen, weil sie sich als Ausübungen des Rechts der Partei zur beliebigen
Prozeßführung darstellen, keiner Acceptation (Renaud, § 75 Anm. 13). Der V.
findet auch im Civilprozeßrecht ausgedehnte Anwendung, insoweit dessen Regeln
dispositiver Natur sind und einer Partei lediglich zur Wahrnehmung ihres Interesses
eine Befugniß verleihen. In diesem Sinne ist es jeder Partei freigestellt, auf einen
von ihr borbeichlagenen Zeugen oder auf die Beeidigung eines Zeugen (CPO. 88§ 364,
365), auf eine in Bezug genommene, aber noch nicht vorgelegte Urkunde (CPO. 401),
desgleichen auf ein Rechtsmittel: Einspruch, Berufung, Revision (CPO. §§ 311, 475,
529) zu verzichten. Ueber die Bedeutung dieser V. vgl. Bülow im Archiv für
civ. Prax. Bd. LXIV. S. 94. Es kann ferner der Kläger auf den geltend gemachten
Anspruch verzichten (CPO. § 277), während ein V. in dem Sinne, daß nur die
erhobene Klage zurückgenommen wird, nach dem Beginn der mündlichen Verhandlung
des Beklagten zur Hauptsache nur mit Zustimmung des letzteren noch statthaft ist
(CPO. § 243). Die CPO. spricht aber von V. auch noch in einem weiteren und
irreführenden Sinne. Sie stellt Rechtsfolgen auf für „die Vorschriften, auf deren
Befolgung eine Partei wirksam verzichten kann“ (§§ 267, 247). Damit sind jedoch
in Wahrheit alle Vorschriften dispositiven Charakters gemeint, also nicht blos solche,
bei denen ein V., d. h. das absichtliche Preisgeben eines Rechts, möglich ist, sondern
auch diejenigen, welche die Regelung eines prozeßrechtlichen Punktes (z. B. der Zu-
ständigkeit des Gerichts) durch freie Vereinbarung der Parteien oder durch Rechts-
verwirkung gestatten. Näheres darüber bei Bülow a. a. O
Lit.: J. Schilter, Tractatus praecipui de renuntiationibus, utpote Giphaniüi etc.,
Argent. 1701. — v. Wächter, Württ. Privatrecht, II. § 84. — Unger, aet terr. Privatrecht, II.
San# — Heimbach. Art. Verzicht in Weiske's Rechtslex. — Bacher in FIhrring' 3
ahrbüchern, V. Nr. 5
Verzicht im strafrechtlichen Sinne. Der V. hat im Strafrecht und
StrafPrz. geringere Bedeutung als im Civilrecht und Civ. Prz. Schon die Haupt-
grundsätze jener beiden Gebiete, die allerdings nicht ohne Ausnahmen sind, schließen
den V. von vornherein aus.
Der Verbrecher kann nicht auf das Strafverfahren, welches wegen der von
ihm begangenen strafbaren Handlung einzuleiten ist, verzichten und sich der Strafe
freiwillig unterwerfen; ebensowenig ist ihm gestattet, eine etwa erfolgte Begnadigung
zurückzuweisen. In gleicher Weise ist die Einleitung und Durchführung eines Straf-
verfahrens von dem Willen des durch die strafbare Handlung Verletzten unab-
hängig gemacht. Nur bei den sog. Antragsdelikten (vgl. diesen Art.) ist
dem Verletzten und gewissen anderen Personen ein Einfluß auf das Strafverfahren
dahin eingeräumt, daß sie die Einleitung bzw. Durchführung desselben durch Nicht-
stellung des Antrages auf Strafverfolgung oder durch Zurücknahme des gestellten