Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1134 Verzicht im strafrechtlichen Sinne. 
Antrages hindern können. In dem letzteren Falle ist das Strafverfahren, wenn der 
V. vor der Hauptverhandlung erfolgt, durch Beschluß, sonst durch Urtheil einzustellen 
(Strafs O. § 259 Abs. 2). 
In dem Rechte auf Stellung des Antrages liegt auch das Recht des V. auf 
Stellung, nicht aber schlechthin auch das Recht auf Zurücknahme des gestellten An- 
trages. Das Deutsche Straf G# B. § 64 geht davon aus, daß die Zurücknahme des 
Antrages nur ausnahmsweise, und zwar nur bis zur Verkündung eines auf Strafe 
lautenden Urtheils zulässig ist; denn die Gründe, welche für die Einräumung des 
Rechts auf Stellung des Antrages sprechen, lassen sich nur in beschränktem Umfange 
auf das Recht der Zurücknahme des Antrages anwenden und werden außerdem durch 
gewichtige Gegengründe zum großen Theil entkräftet; vgl. hierüber Dochow in 
v. Holtzendorff's Handb. des Deutschen Strafr. Bd. IV. S. 277 ff. — Be- 
rechtigt zum V. ist derjenige, welcher den Antrag stellen durfte bzw. gestellt hat. 
Der Inhalt des V. entspricht dem Inhalt des Antrages, wie dieser, so ist auch jener 
untheilbar und kann von Bedingungen nicht abhängig gemacht werden. Dabei ist 
zu bemerken, daß Privatverzeihung nicht immer identisch ist mit V. auf Stellung 
des Antrages. Ob V. im konkreten Falle anzunehmen ist, hat das Gericht nach 
freiem Ermessen zu entscheiden. — Ueber die Form des V. sind keine besonderen 
Vorschriften aufgestellt, er kann mündlich oder schriftlich, ausdrücklich oder durch 
konkludente Handlungen (Ablauf der Frist, Nichtvornahme prozessualischer Hand- 
lungen), einseitig — denn die Annahme des V. von Seiten des Angeklagten ist 
nicht erforderlich — oder in einem Vertrage erfolgen. Bestritten ist, ob der gericht- 
liche oder außergerichtliche V. praktische Bedeutung habe. In Privatklagesachen muß 
jedenfalls die Zulässigkeit anerkannt werden, die Erhebung der Privatklage durch 
Vergleich auszuschließen; vgl. hierüber bes. Rüdorff (3. Aufl.) zu § 64 des 
StrafSB.; Olshausen zu § 61 des Straf GCB. und den Art. Sühnetermin 
(strafproz.). Ist einmal auf den Antrag verzichtet worden, so ist damit das Recht 
vollständig erloschen und eine Erneuerung des Antrages ausgeschlossen. Geschah der 
V. nach eröffnetem Hauptverfahren, so sind dem Antragsteller die Kosten aufzuerlegen 
(StrasP O. § 502; Gerichtskostenges. §§ 69, 70). 
Bei dem V. im Gebiete des StrafPrz. sind drei Arten von Vorschriften zu 
unterscheiden. Ein großer Theil der strafprozessualischen Vorschriften ist von solcher 
Wichtigkeit, daß ein V. auf die Nichtbeobachtung derfelben einflußlos ist. Hierher 
gehören z. B. die Vorschriften über die Besetzung des Gerichtes, die Oeffentlichkeit des 
Verfahrens, Vornahme des Sühnetermins u. s. w. Dasselbe gilt von dem V. bei 
den Vorschriften, die im Interesse der Parteien und zwar bes. des Angeklagten, aber 
außerdem zugleich im öffentlichen Interesse aufgestellt sind, z. B. die Vorschrift, daß 
der Angeklagte in gewissen Fällen einen Vertheidiger haben müsse. Es bleiben 
daher nur die ausschließlich im Interesse der Parteien erlassenen Vorschriften übrig, 
bei denen der V. gestattet ist, z. B. V. auf das Recht, von dem (örtlich) zustän- 
digen Gericht abgeurtheilt zu werden (StrafP O. § 16), das Zeugniß zu verweigern 
51), V. auf Beweismittel (§ 244), auf Rechtsmittel (6 344), auf Aussetzung 
der Hauptverhandlung (§§ 216, 245 Abs. 2 und 3), auf die Privat= und die 
Nebenklage (§8 431, 444) u. s. w. Allgemeine Regeln über den V. sind in der 
Deutschen StrafP O. nicht vorhanden. Der V. setzt Entstehung des Rechts voraus, 
auf welches man verzichten will, daher z. B. nicht vor Zustellung des Urtheils in 
einem Falle, in welchem das Urtheil zugestellt werden muß. Der V. erstreckt sich 
nur so weit, als das Recht des Verzichtenden reicht. Sind mehrere berechtigt, so 
ist der V. des einen einflußlos auf das Recht der übrigen. Der V. auf Beweis- 
oder Rechtsmittel hat in gewissen Fällen (Strafß O. 88 244 Abs. 1, 344, 345) 
nur dann praktische Bedeutung, wenn der Gegner zustimmt. — Ueber Inhalt und 
Form des V. gelten hier, soweit nicht einzelne spezielle Vorschriften vorhanden 
sind, im Wesentlichen die vorher aufgestellten Grundsätze. Der V. kann, sobald die
	        
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