1158 Volksabstimmung.
ist. Die ihres Aktivbürger= und Stimmrechtes Verlustigen sollen nicht nur an keiner
Gemeindeversammlung mehr stimmen, sondern dürfen an keiner solchen mehr er-
scheinen bei gesetzlicher Strafe. In der alleinigen Befugniß der obersten souveränen
Gewalt des Staates — der Landesgemeinde — liegt: die Festsetzung der Staats-
verfassung und deren Abänderung oder Revision; auch jede Abänderung der Bundes-
verfassung und wichtigere Staatsverträge müssen der Landesgemeinde zur Annahme
oder Verwerfung vorgelegt werden; der Beschluß über Erhebung der Steuern und
Staatsanleihen; die gesammte Gesetzgebung, Privilegien= und Gnadenertheilung,
endlich die Wahl der Kantonsfunktionäre (§§ 88—438).
Das Bundesgesetz, betreffend V. über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, vom
17. Juni 1874 bildet die Durchführung des Art. 89 der letzten Bundesverfassung
vom 29. Mai 1874, wonach: Bundesgesetze, sowie allgemein verbindliche Bundes-
beschlüsse, die nicht dringlicher Natur sind, dem Volke zur Annahme oder Verwerfung
vorgelegt werden sollen, wenn 30 000 stimmberechtigte Schweizer Bürger oder 8
Kantone dies verlangen. Nach Inhalt des Gesetzes muß das Verlangen der V., sei
es, daß es von Bürgern oder Kantonen ausgeht, innerhalb 90 Tagen, vom Tage
der Veröffentlichung des fraglichen Gesetzes oder Bundesbeschlusses im Bundesblatte
an gerechnet, gestellt werden (Art. 4). Ergiebt sich aus der Zusammenstellung und
aus der Prüfung der Eingaben, daß das Begehren um V. von der erforderlichen
Anzahl stimmberechtigter Schweizer Bürger der Kantone unterstützt ist, so ordnet
der Bundesrath die Vornahme der allgemeinen V. an, setzt die Kantonsregierungen
davon in Kenntniß, und sorgt für beförderliche und geeignete allgemeine Bekannt-
machung des der Abstimmung zu unterstellenden Bundesgesetzes oder Bundes-
beschlusses. Die Stimmgebung des Schweizerischen Volkes erfolgt auf dem ganzen
Gebiete der Eidgenossenschaft an einem und demselben Tage. Dieser Tag wird
durch den Bundesrath festgesetzt. Es darf jedoch die Abstimmung nicht früher als
vier Wochen nach geschehener ausreichender Bekanntmachung des fraglichen Bundes-
gesetzes oder Bundesbeschlusses geschehen. Stimmberechtigt ist jeder Schweizer,
welcher das 20. Altersjahr zurückgelegt hat und im Uebrigen nach der Gesetzgebung
des Kantons, in welchem er seinen Wohnsitz hat, nicht vom Aktivbürgerrecht aus-
geschlossen ist. Jeder Kanton ordnet die Abstimmung auf seinem Gebiete nach den
bundesgesetzlichen Vorschriften über eidgenössische Abstimmungen an. Ueber die Ab-
stimmung ist in jeder Gemeinde, beziehungsweise in jedem Kreise, ein Protokoll auf-
zunehmen, in welchem genau anzugeben ist: die Zahl der Stimmberechtigten, ferner
wie viele Stimmen das dem Volksentscheid unterworfene Bundesgesetz, beziehungs-
weise den Bundesbeschluß, angenommen und wie viele ihn verworfen haben. Das
Bundesgesetz oder der Bundesbeschluß ist als angenommen zu betrachten, wenn die
Mehrheit der stimmenden Schweizer Bürger sich dafür ausgesprochen hat. In diesem.
Falle ordnet der Bundesrath dessen Aufnahme in die amtliche Gesetzessammlung und
Vollziehung an. Erzeigt sich dagegen, daß eine Mehrheit der stimmenden Schweizer
Bürger die Vorlage verworfen hat, so ist sie als dahingefallen zu betrachten, und es
unterbleibt deren Vollziehung. Die Revision der Bundesverfassung selbst geschieht
auf dem Wege der Bundesgesetzgebung. Das Verfahren hierfür ist in den Schluß-
art. 118—121 der Verfassung niedergelegt: Wenn eine Abtheilung der Bundes-
versammlung die Revision beschließt und die andere nicht zustimmt, oder wenn
50 000 stimmberechtigte Schweizer Bürger die Revision verlangen, so muß im einen
wie im anderen Falle die Frage, ob eine Revision stattfinden soll oder nicht, der
Aktivbürgerschaft des Schweizerischen Volkes zur Abstimmung vorgelegt werden. So-
feen in einem dieser Fälle die Mehrheit der Stimmen über die Frage sich bejahend
ausspricht, so sind die beiden Räthe (Nationalrath und Ständerath) neu zu wählen,
um die Revision zur Hand zu nehmen. Die revidirte Bundesverfassung tritt in
Kraft, wenn sie von der Mehrheit der an der Abstimmung theilnehmenden Bürger
und von der Mehrheit der Kantone angenommen ist. Die letzte bedeutungsvolle