1170 Vorfluth.
das Prozeßrecht eine Abschrift nebst Abschrift der Anlagen auf der Gerichtsschreiberei
niederzulegen, und zwar dann, wenn eine Terminsbestimmung oder eine Zustellung
unter Vermittelung des Gerichtsschreibers erfolgen soll, bei der zu diesen Zwecken
erforderlichen Ueberreichung der Urschrift, in anderen Fällen sofort nach Zustellung
des Schriftsatzes an den Gegner.
Quellen: Deutsche CPO. 5§ 120—126. P. Hinschius.
Vorfluth. Das Wort entstammt dem älteren Preuß. Provinzialrecht, die
Sache ist schon dem Röm. Rechte bekannt; die V. bedeutet den Ablauf des auf
dem Boden befindlichen Wassers nach Maßgabe der natürlichen Bodengestaltung.
Das Recht der V. umfaßt die Beschränkungen und Verpflichtungen, welche kraft
Gesetzes den Grundbesitzern im Interesse eines den Bodenverhältnissen sich anpassenden
Wasserablaufs auferlegt sind. Das Röm. Recht behandelt nur die V. beim Ablauf
des Regenwassers. Danach ist der Besitzer eines tiefer gelegenen Grundstücks ver-
pflichtet, das vom oberen Grundstücke nach der natürlichen Terraingestaltung herab-
kommende Regenwasser aufzunehmen, und er darf keine künstlichen Hindernisse —
Dämme, Wege u. dgl. —, die den Ablauf hemmen könnten, anbringen. Anderer-
seits liegt den Besitzern der oberen Grundstücke, und zwar nicht blos denen der
unmittelbar anstoßenden, die Verbindlichkeit ob, die V.verpflichtung für die Besitzer
der tiefer gelegenen Grundstücke nicht durch künstliche Vorrichtungen (z. B. Samm-
lung des Regenwassers in einem Kanal oder künstliche Aenderung der Ablaufverhält-
nisse) zu erschweren. Wird der Ablauf auf dem tieferen Grundstücke durch künstliche
Vorrichtungen zum Nachtheil der oberen gehemmt, so hat der Beschädigte die actio
aquae pluviae arcendae, welche auf ein restituere, d. i. die Beseitigung des ordnungs-
widrig Geschaffenen, gerichtet ist; tritt durch natürliche Ereignisse, z. B. Erd-
rutsch, Uferabbruch, eine Hemmung des Wasserablaufs auf dem unteren Grundstück
ein, so hat der Besitzer des dadurch benachtheiligten oberen Grundstücks mittels der
auf ein pati gerichteten actio aquae pluviae arcelldae utilis die rechtliche Mög-
lichkeit, das natürliche Ablaufverhältniß auf dem tieferen Grundstück unter Ent-
schädigung des Besitzers selbst wieder herzustellen. Durch diese Bestimmungen des
Röm. Rechts sind unmittelbar aus dem Nachbarverhältniß hervorwachsende gesetzliche
Verpflichtungen und Beschränkungen der Grundbesitzer begründet, welche als dem
Privatrechte angehörig auch durch besondere Rechtstitel, namentlich Vertrag und
Ersitzung (wobei schon nach Römischem Recht die Unvordenklichkeit des bestehenden
Zustandes maßgebend ist), geändert werden können; wo kraft solcher Rechtstitel
dem Wasser ein anderer Lauf gegeben, künstliche Vorrichtungen und Anlagen ge-
schaffen wurden, ist der hiernach begründete Züstand der Ablaufsverhältnisse als die
rechtmäßige Regelung der V. zu schützen.
Die neueren Gesetzbücher, z. B. Preuß. Allg. LR. I. 8 § 102 ff.; Code eiv.
art. 640; Bayr. Wassergesetz Art. 34—35; Sächs. BGB. 88 354—356; Oesterr.
Wassergesetz § 11, haben für den Ablauf des wilden Wassers diese Be-
stimmungen des Röm. Rechts im Wesentlichen beibehalten, übrigens zum Theil —
vgl. Sächs. BGB. § 356 — die Verpflichtung der Besitzer tiefer gelegener- Grund-
stücke, dem oberen Besitzer die Beseitigung von Hemmnissen zu gestatten, noch
erweitert oder auch — vgl. Preuß. Allg. LR. I. 8 8§§ 102, 104 — die Ver-
pflichtung des tieferen Besitzers zur Gestattung der V. in den Fällen eingeschränkt,
wo das untere Grundstück mit einem Gebäude besetzt ist oder dem Besitzer die Mög-
lichkeit einer weiteren Ableitung des Wassers mangelt.
Ein großer Fortschritt im V.recht der neueren Gesetzgebungen wird aber dadurch
bezeichnet, daß einerseits das im Röm. Recht nur für das Regenwasser geltende
Prinzip auf alle fließenden Gewässer, Gräben, Kanäle, Privatbäche, öffentliche Flüsse,
ausgedehnt, und daß andererseits die Aufsicht über die Erhaltung der V., soweit
die öffentlichen Interessen des Wasserschutzes in Frage kommen, zu einer Sache der