Vorfluth. 1171
Verwaltung gemacht wurde. Namentlich ist in Preußen schon seit Anfang des 18.
Jahrh. die Regelung der V. von der Verwaltung in die Hand genommen worden;
die den Verwaltungsbehörden bei der Regelung der V.verhältnisse zukommenden
Befugnisse wurden zunächst durch Provinzialedikte, z. B. für Schlesien durch Edikt
vom 20. Dezbr. 1746, und endlich für das gesammte Staatsgebiet durch das noch
jetzt geltende Gesetz vom 15. Novbr. 1811 geregelt.
Der jetzige, freilich partikularrechtlich sehr vielartig gestaltete Zustand des Deutschen
V.rechts läßt sich nach seinen Grundzügen folgendermaßen zusammenfassen. Wer ein
fließendes Wasser, sei es wildes Wasser, sei es ein künstlicher Graben oder Kanal,
sei es ein natürlicher Wasserlauf, besitzt oder zu dessen Benützung berechtigt ist,
darf nicht durch künstliche Vorrichtungen den nach der Bodengestaltung stattfindenden
Ablauf zum Nachtheile Anderer hemmen und ist verpflichtet, Hemmungen, welche
durch Zufall und Naturereignisse entstehen, entweder selbst zu beseitigen oder doch
anderen Betheiligten die Beseitigung zu gestatten; gegenüber den Besitzern tiefer
gelegener Grundstücke und Benutzungsanlagen steht ihm der gleiche Rechtsanspruch
zu. Im Einzelnen gelten hinsichtlich des Regenwassers mit den oben bezeichneten
Modifikationen die Grundsätze des Röm. Rechts. Bezüglich der künstlich angelegten
Gräben und Kanäle ist für den Besitzer kraft der ihm obliegenden Pflicht zur In-
standhaltung auch die Verbindlichkeit begründet, dieselben von Hindernissen der V.
zu räumen, soweit dieselben für andere Betheiligte, benachbarte Grundbesitzer oder
Benützungsberechtigte, Nachtheile erzeugen. Was die große Zahl der natürlich
fließenden, nicht öffentlichen Bäche und Flüsse angeht, so ist es nach Gesetz, statuta-
rischen Vorschriften, Herkommen entweder fakultativ Sache der Anlieger und
Benützungsberechtigten, durch Räumung und Auskrautung für die Erhaltung der V.
zu sorgen, oder es ist den einzelnen Besitzern und sonstigen Berechtigten, jedem
innerhalb des Bereichs seines Besitzes oder Benützungsrechts, die Räumung zur
Pflicht gemacht, wobei manchmal die Bildung von Genossenschaften zur Erfüllung
dieser Aufgabe vorgesehen ist, oder es. ist endlich, soweit die öffentlichen Interessen
des Schutzes größerer Flächen in Frage stehen, der Gemeinde, als der bestehenden
Organisation der Gemarkungsgenossen, die Verpflichtung zur Erhaltung der V. auf-
erlegt, wobei nicht selten die Kosten als eine Seozietätslast auf die unmittelbar
Betheiligten ausgeschlagen werden können. Für die dem allgemeinen Verkehrs-
gebrauch dienenden öffentlichen, d. h. schiff= bzw. floßbaren Gewässer ist die Erhal-
tung der V. in der Regel als eine Aufgabe des Staats, manchmal übrigens,
namentlich an floßbaren Gewässern, auch als Sache der Verkehrsinteressenten
(Flößereigenossenschaften) anerkannt. Soweit zwischen einzelnen betheiligten Grund-
und Anlagenbesitzern über die Rechtsverhältnisse der V. beim Regenwasser, an Gräben,
Bächen und fonstigen Privatgewässern Streitigkeiten entstehen, sind die bürgerlichen
Gerichte zur Entscheidung berufen. Die der Verwaltung hinsichtlich der V. zu-
stehenden Befugnisse gelangen namentlich darin zum Ausdruck, daß alle wichtigeren
Anlagen, welche ein dauerndes Hinderniß der V. bilden können, insbesondere Stau-
anlagen für Wassertriebwerke und für Bewässerungsunternehmungen, Brücken, Dämme,
einer vorgängigen Genehmigung der Verwaltungsbehörde bedürfen, daß die Verwal-
tungsbehörde die Beseitigung oder Abänderung solcher Hemmnisse, sofern das öffent-
liche Interesse dadurch als benachtheiligt erscheint, herbeiführen und die verpflichteten
Verbände, Gemeinden, Anlieger, Benutzungsberechtigten im Interesse der Erhaltung
der V. zur Räumung der fließenden Gewässer anhalten kann.
Gsgb. u. Lit.: Preuß. Uug. LR. I. 9 §§ 102—117. — Gesetz v. 15. Novbr. 1811 wegen
Wasserschnens und Verschaffung der V. — Vorfluth-Gesetz vom 9. Februar 1867 für Neuvor-
pommern u. Rügen. — Code civ. art. 640. — Bayr. Wassergesen, Art 34 ff. — Sachs.
BGB., §8 354—356. — Oesterr. Wassereeh 2 10 ff. — ndscheid, I. § 169.
v. Gerber, § 61. — Stobbe, Handbuch, II. — 0n e hn, Ländl. Wasser-
. 20. — Nieberding, Preuß. zsch.44 . 5 ff. — Peyrer, Oesterr. Maser-
t K. Schenkel.
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