1172 Vorführungsbefehl — Vorkaufsrecht.
Borführungsbefehl. Ueberall im Gange des Strafverfahrens kann der
Richter auf Grund einfacher mündlicher Anordnung den Verhafteten, Beschuldigten
zur Vernehmung oder zur Entgegennahme von Mittheilungen vorführen lassen.
Eines förmlichen, schriftlich ausgefertigten V. bedarf es dagegen in solchen Fällen,
ta denen es darauf ankommt, sich der Person des Abwesenden zu versichern. Der
V. ist daher eine dem Haftbefehl analoge Maßregel, ein Mittelweg zwischen der
ehemaligen Realcitation des Gem. Rechts und dem Haftbefehl im technischen Sinne,
vornehmlich anwendbar für solche Fälle, in denen der Beschuldigte der Ladung den
Gehorsam versagte, die Schwere der ihm zur Last gelegten Handlung aus den Um-
ständen nicht deutlich erkannt werden kann und die Bedeutung der Fluchtgefahr bei
der Ungewißheit der möglicherweise eintretenden Straffolgen nicht hinreichend erkannt
werden kann. Vorführung kann gleichzeitig mit der Ladung angedroht werden.
Wird dagegen ein V. zum Zwecke sofortiger Vorführung erlassen, so müssen Gründe
vorhanden sein, aus denen auch ein Haftbefehl erlassen werden könnte. Der Be-
schuldigte ist in dem betreffenden Schriftstück genau zu bezeichnen, um Verwechse-
lungen seiner Person auszuschließen, die ihm zur Last gelegte Strafthat neben dem
Grunde der Vorführung anzugeben. Die Vernehmung muß sofort nach geschehener
Vorführung spätestens im Laufe des nächstfolgenden Tages geschehen, andernfalls
mit dem Ablauf desselben die Freilassung eintreten muß. Der Vorgeführte hat,
wenn er nicht alsbald nach seiner Einlieferung entlassen wird, Anspruch darauf,
nach denselben Grundsätzen behandelt zu werden, wie Untersuchungsgefangene. Seine
Aufnahme in ein Strafgefängniß muß als unzulässig erachtet werden. Daß die
Vorführung gerade an die Gerichtsstelle geschehe, ist nicht erforderlich; auch am
Orte der Augenscheinseinnahme kann die Anwesenheit des Beschuldigten erfordert
werden. Nur der Richter, nicht die Staatsanwaltschaft kann einen V. erlassen
(anderer Meinung Voitus). Auch während der Hauptverhandlung kann das
persönliche Erscheinen des Angeklagten durch einen V. oder Haftbefehl erzwungen
werden; ingleichen zum Zwecke des Strafvollzugs, wenn der Verurtheilte der Ladung
zum Strafantritt keine Folge giebt oder der Flucht verdächtig ist. In diesem Falle
ist die Staatsanwaltschaft zum Erlaß des V. befugt. Die Unterscheidungslinie
zwischen V. und Haftbefehl ist bei alternativer Zulassung beider eine durchaus
schwankende im Gesetze.
Das Franz. Recht unterscheidet gleichfalls neben dem Haftbefehl noch ander-
weitige Maßregeln der Freiheitsbeschränkung: den Erscheinungsbefehl (mandat de
comparution), den V. (mandat d'amener), den Verwahrungsbefehl (mandat de dépöt).
Quellen: *x*9 §§ 133—136, 235, 489. — Oesterr. StrafPO. 88§ 172—175. —
Code J. C. — Ital. Straf PO. art. 182. 187. — Ital. Ges. vom 30. Juni 1876.
Lit.: 3 Handbuch des StrafProz., II. NS. —Fv. Helbendorff, Handbuch
d. Straf Proz. Rechts, J. 378. — Ullmann, Oesterr. StrafßO. S. 4 — Heélie,
Pratigue criminelle des S et tribunauz, I. p. 1 101; Derselbe, Kraité 6 Tinstruction
crim., IV. 1955—1961. — Boitard, Leçons de droit crim., V 600—607. — Casorati,
Di alcuni Principali riforme, introdotte nella vigente procedura Penalel italiana, (1870)
p. 14. v. Hol tendorff.
Vorkaufsrecht (jus protimeseos) ist das Vorrecht, welches Jemandem auf
die Erwerbung einer Sache eingeräumt ist. Dasselbe pflegt im Röm. Recht zunächst
als Nebenabrede bei einem Kaufvertrage vorzukommen, in welchem sich der Käufer
verpflichtet, bei einem späteren Verkauf der Sache dem Verkäufer den Vorzug zu
geben, vorausgesetzt, daß dieser die von einem dritten Kauflustigen angebotenen
Bedingungen übernimmt. Eine besondere Art des V. ist es, wenn der Käufer sich
verpflichtet, die Sache künftig keinem Andern, als dem Verkäufer zu überlassen
(I. 75 D. 18, 1; 1. 21 5§ 5 D. 19, 1, welche sowol von Sintenis, II.
§ 116 Anm. 235, als von Glück XVI. S. 160 falsch aufgefaßt werden). Das
#us protim. kann aber auch in anderen Bevorrechtigungen, z. B. einem Vorpachts-
recht bestehen (I. 75 cit.) und es kann nicht blos bei anderen Verträgen, z. B. bei