Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1172 Vorführungsbefehl — Vorkaufsrecht. 
Borführungsbefehl. Ueberall im Gange des Strafverfahrens kann der 
Richter auf Grund einfacher mündlicher Anordnung den Verhafteten, Beschuldigten 
zur Vernehmung oder zur Entgegennahme von Mittheilungen vorführen lassen. 
Eines förmlichen, schriftlich ausgefertigten V. bedarf es dagegen in solchen Fällen, 
ta denen es darauf ankommt, sich der Person des Abwesenden zu versichern. Der 
V. ist daher eine dem Haftbefehl analoge Maßregel, ein Mittelweg zwischen der 
ehemaligen Realcitation des Gem. Rechts und dem Haftbefehl im technischen Sinne, 
vornehmlich anwendbar für solche Fälle, in denen der Beschuldigte der Ladung den 
Gehorsam versagte, die Schwere der ihm zur Last gelegten Handlung aus den Um- 
ständen nicht deutlich erkannt werden kann und die Bedeutung der Fluchtgefahr bei 
der Ungewißheit der möglicherweise eintretenden Straffolgen nicht hinreichend erkannt 
werden kann. Vorführung kann gleichzeitig mit der Ladung angedroht werden. 
Wird dagegen ein V. zum Zwecke sofortiger Vorführung erlassen, so müssen Gründe 
vorhanden sein, aus denen auch ein Haftbefehl erlassen werden könnte. Der Be- 
schuldigte ist in dem betreffenden Schriftstück genau zu bezeichnen, um Verwechse- 
lungen seiner Person auszuschließen, die ihm zur Last gelegte Strafthat neben dem 
Grunde der Vorführung anzugeben. Die Vernehmung muß sofort nach geschehener 
Vorführung spätestens im Laufe des nächstfolgenden Tages geschehen, andernfalls 
mit dem Ablauf desselben die Freilassung eintreten muß. Der Vorgeführte hat, 
wenn er nicht alsbald nach seiner Einlieferung entlassen wird, Anspruch darauf, 
nach denselben Grundsätzen behandelt zu werden, wie Untersuchungsgefangene. Seine 
Aufnahme in ein Strafgefängniß muß als unzulässig erachtet werden. Daß die 
Vorführung gerade an die Gerichtsstelle geschehe, ist nicht erforderlich; auch am 
Orte der Augenscheinseinnahme kann die Anwesenheit des Beschuldigten erfordert 
werden. Nur der Richter, nicht die Staatsanwaltschaft kann einen V. erlassen 
(anderer Meinung Voitus). Auch während der Hauptverhandlung kann das 
persönliche Erscheinen des Angeklagten durch einen V. oder Haftbefehl erzwungen 
werden; ingleichen zum Zwecke des Strafvollzugs, wenn der Verurtheilte der Ladung 
zum Strafantritt keine Folge giebt oder der Flucht verdächtig ist. In diesem Falle 
ist die Staatsanwaltschaft zum Erlaß des V. befugt. Die Unterscheidungslinie 
zwischen V. und Haftbefehl ist bei alternativer Zulassung beider eine durchaus 
schwankende im Gesetze. 
Das Franz. Recht unterscheidet gleichfalls neben dem Haftbefehl noch ander- 
weitige Maßregeln der Freiheitsbeschränkung: den Erscheinungsbefehl (mandat de 
comparution), den V. (mandat d'amener), den Verwahrungsbefehl (mandat de dépöt). 
Quellen: *x*9 §§ 133—136, 235, 489. — Oesterr. StrafPO. 88§ 172—175. — 
Code J. C. — Ital. Straf PO. art. 182. 187. — Ital. Ges. vom 30. Juni 1876. 
Lit.: 3 Handbuch des StrafProz., II. NS. —Fv. Helbendorff, Handbuch 
d. Straf Proz. Rechts, J. 378. — Ullmann, Oesterr. StrafßO. S. 4 — Heélie, 
Pratigue criminelle des S et tribunauz, I. p. 1 101; Derselbe, Kraité 6 Tinstruction 
crim., IV. 1955—1961. — Boitard, Leçons de droit crim., V 600—607. — Casorati, 
Di alcuni Principali riforme, introdotte nella vigente procedura Penalel italiana, (1870) 
p. 14. v. Hol tendorff. 
Vorkaufsrecht (jus protimeseos) ist das Vorrecht, welches Jemandem auf 
die Erwerbung einer Sache eingeräumt ist. Dasselbe pflegt im Röm. Recht zunächst 
als Nebenabrede bei einem Kaufvertrage vorzukommen, in welchem sich der Käufer 
verpflichtet, bei einem späteren Verkauf der Sache dem Verkäufer den Vorzug zu 
geben, vorausgesetzt, daß dieser die von einem dritten Kauflustigen angebotenen 
Bedingungen übernimmt. Eine besondere Art des V. ist es, wenn der Käufer sich 
verpflichtet, die Sache künftig keinem Andern, als dem Verkäufer zu überlassen 
(I. 75 D. 18, 1; 1. 21 5§ 5 D. 19, 1, welche sowol von Sintenis, II. 
§ 116 Anm. 235, als von Glück XVI. S. 160 falsch aufgefaßt werden). Das 
#us protim. kann aber auch in anderen Bevorrechtigungen, z. B. einem Vorpachts- 
recht bestehen (I. 75 cit.) und es kann nicht blos bei anderen Verträgen, z. B. bei
	        
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