Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

Vorstand. 1189 
Mitglieder des Aufsichtsraths) ebenso entschieden (Erk. d. ROHG. vom 23. Nov. 1875, 
Entsch. XIX. Nr. 59 S. 178 ff.). Doch fehlt es nicht an Vertretern der gegentheiligen 
Meinung (z. B. Jolly, Zeitschr. f. Deutsches Recht XI. 322 ff.; Auerbach, 
Aktienwesen, S. 219 ff.; Anschütz, Komm. II. 515 ff.; Bekker, a. a. O. 
S. 441 ff., 445 ff., 642; v. Hahn, 3. Aufl. S. 746; Molle S. 73). Und 
unter den ausländischen Gcsetgebungen hat die Franzbsfische und die Belgische aus- 
drücklich den Aktionären ein direktes Klagerecht gegen den V. eingeräumt (Renaud, 
S. 552 wie auch die Englische Praxis ein solches gewährt (Behrend, 
S. 87). 
Ebenso steht zu dritten Personen, insbesondere zu den Gläubigern der 
Aktiengesellschaft, der V. als solcher an sich in keinerlei rechtlicher Beziehung. Für 
Dritte deckt sich ja der V. vollkommen mit der von ihm vertretenen Gesellschaft. 
Das einzelne V.mitglied kann daher zwar aus einem besonderen Rechtsgrunde, wie 
z. B. aus arglistigem Verhalten oder weil es sich bei bestehender Kollektivvertretung 
als Einzelvertreter gerirt hat, unmittelbar einem Dritten haftbar werden. Allein 
aus pflichtwidriger Amtsführung als. solcher sind die V. mitglieder an sich den 
„Dritten nicht verantwortlich. Dieses Prinzip ist indeß in erheblichem Umfange 
dadurch modifizirt, daß das H#. diejenigen gesetzlichen Verpflichtungen des V., 
welche die Erhaltung des Grundkapitals bezwecken, zugleich zu direkten Verpflichtungen 
gegen die Gläubiger der Gesellschaft erhoben hat. Deshalb ist ausdrücklich die per- 
sönliche und solidarische Verhaftung der V.mitglieder gegen die Gesellschaftsgläubiger 
aus ordnungswidriger theilweiser Zurückzahlung oder Herabsetzung des Grundkapitals 
ausgesprochen (Art. 248). Ebenso ist der V. einer fusionirten Gesellschaft deren 
Gläubigern gegenüber für die Ausführung der gesetzlich vorgeschriebenen getrennten 
Verwaltung perfönlich und solidarisch verantwortlich gemacht (Art. 247 Z. 3). 
Das Gleiche ist gegenüber den durch verfrühte oder sonst ordnungswidrige Vertheilung 
des Vermögens der aufgelösten Gesellschaft geschädigten Gläubigern zu behaupten 
(Art. 245; anderer Meinung Keyßner Anm. 7). Aber auch in allen anderen Fällen, 
in denen Vorstandsmitglieder gegen die im Interesse der Erhaltung des Vermögens für 
die Gläubiger ihnen auferlegten gesetzlichen Verpflichtungen verstoßen, ist nach der 
Intention des Gesetzes die Zulässigkeit einer unmittelbaren Klage der Gläubiger 
gegen die V.mitglieder anzunehmen. Dies folgt aus Art. 241 Abs. 2, wo als 
Fälle der persönlichen und solidarischen Schadensersatzpflicht von V.mitgliedern 
insbesondere aufgeführt werden, „wenn sie den Bestimmungen des Art. 217 entgegen 
an die Aktionäre Dividenden oder Zinsen zahlen, oder wenn sie zu einer Zeit noch 
Zahlungen leisten, in welcher ihnen die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft hätte 
bekannt sein müssen“. Denn die letztgedachte Handlung kann begrifflich nur die 
Gläubiger, nicht die Gesellschaft schädigen (vgl. v. Hahn, Komm. 3. Aufl. Art. 241 
§ 4; anderer Meinung Keyßner, Komm. zu Art. 241 Nr. 5 und Löwenfeld, 
S. 247). Die ausländische Gesetzgebung statuirt zum Theil eine noch weitergehende 
direkte Verantwortlichkeit gegen die Gläubiger (Renaud, §64). Unrichtig dagegen 
ist die Annahme mancher Schriftsteller (z. B. v. Hahn a. a. O.; Endemann, 
§ 284 N. 20; Puchelt, I. 490), daß nach Deutschem Recht den Gläubigern aus 
jeder ihnen nachtheiligen Pflichtwidrigkeit der Vorsteher ein unmittelbarer Erbsatz- 
anspruch gegen Letztere zustehe. Ebenso gehen Renaud (§ 64) und Anschütz und 
v. Völderndorff (zu Art. 241) zu weit, wenn sie die Verantwortlichkeit gegen die 
Gläubiger zwar hinsichtlich der Verwaltungsthätigkeit des V. innerhalb seiner Kom- 
petenz verneinen, dagegen hinsichtlich jeder Kompetenzüberschreitung und jeder statuten- 
oder gesetzwidrigen Handlung bejahen. 
Schließlich ist den Vmitgliedern eine besondere strafrechtliche Verant- 
wortlichkeit auferlegt, indem ihnen für Unterlassung der vorgeschriebenen Anmeldungen 
zum Handelsregister Ordnungsstrafen (Art. 228, 233, 243), für gewisse schwere 
Verstöße gegen ihre Amtspflicht (falsche Angaben“ über Zeichnungen oder Einzahlung
	        
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