1198 Voruntersuchung.
eines etwaigen Versehens nicht mehr von ihm allein abhänge; allein da auch er
auf gewissenhafte, pflichtgetrene Haltung des Gerichtes rechnen kann, wird hierin für
ihn kein Grund liegen dürfen, den Antrag zu verzögern, so wenig als ihn anderer-
seits der Umstand bestimmen darf, daß jene grundsätzliche Anordnung, vermöge welcher
die Fortsetzung der V. von seinem Willen unabhängig ist, ihn der drückendsten Ver-
antwortung entbindet. Er wird also bei der Abgrenzung des Vorbereitungsverfahrens
von der V. wol auch nur die Frage für entscheidend erachten, welche Vorgänge die
Einleitung der V. nothwendig machen. Nun schreibt § 126 der Straf½ O. genau
vor, für welche Dauer ein „vor Erhebung der öffentlichen Klage“ erlassener Haft-
befehl in Wirksamkeit bleiben kann; und wie groß auch der Widerstreit der Meinungen
in der Reichstagskommission, aus deren Berathung diese Bestimmung hervorging,
war (vgl. insbesondere v. Schwarze), so beruhte er doch nur auf der Andeutung
von Fällen, wo es weder thunlich erscheint, den Angeschuldigten auf freien Fuß zu
setzen, noch sofort schon eine genau formulirte Anschuldigung gegen ihn zu erheben,
keineswegs aber auf dem Versuche, „den Gedanken und der Aufgabe der V.“ eine
bestimmte „Richtung zu geben“ (v. Schwarze), sondern eher auf dem Verzicht,
eine theoretische, rein sachliche Abgrenzung zwischen Vorbereitungsverfahren und
V. zu unternehmen — auf dem Gedanken, daß der Staatsanwaltschaft und dem von
ihr geleiteten Vorbereitungsverfahren bis zu dem Augenblicke freier Spielraum ge-
gönnt werden könne, wo die Zwecke des Verfahrens Schritte bedingen, die man nur
dem Untersuchungsrichter anvertrauen zu können meint. Zu diesen Schritten gehört
nach der StrafPO. weder die Vernehmung des Beschuldigten, noch die Vorsorge
für Konservirung von Entlastungsbeweisen; erstere ist nur im Falle einer Festnahme
nothwendig (§ 185), in anderen Fällen aber zulässig (während sie in der V. obligat
ist, §9190); in beiden Fällen aber ist die Vernehmung nach Grundsätzen vorzunehmen,
welche für alle Stufen des Verfahrens gleichmäßig gelten (§8 133 ff.) und ins-
besondere so einzurichten, daß dem Beschuldigten Gelegenheit zu seiner Vertheidigung
gegeben wird (§§ 136, 164); und schon für die Vernehmung vor dem Amtsrichter
gilt die Regel, daß wenn bei derselben Entlastungsbeweise beantragt werden, welche
erheblich erscheinen und deren Verlust zu besorgen ist oder deren Erhebung die Frei-
lassung des Beschuldigten begründen kann, der Amtsrichker zu diesen Erhebungen zu
schreiten hat (§ 164). Man wird aber darüber noch hinausgehen und annehmen
müssen, daß die Regel, welche § 158 Abs. 2 dem Staatsanwalt vorzeichnet, „nicht
blos die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu
ermitteln“, auch für den Amtsrichter gilt, selbst wenn der Beschuldigte keinen
hierauf abzielenden Antrag stellt. Wohl aber giebt die in den §§ 158 und 164
gemachte Unterscheidung zwischen „Ermitteln von Umständen“ und „Erhebung von
Beweisen“ einen Fingerzeig für die sachliche Abgrenzung: Im Allgemeinen genügt,
wenn auf den Umstand aufmerksam gemacht, dafür gesorgt ist, daß er nicht über-
sehen werde; eine Beweiserhebung aber ist nur nöthig, wenn sie zu sofortiger, dem
Beschuldigten günstiger Entscheidung führen kann oder wenn Gefahr des Verlustes
droht. Einige Schwierigkeiten bereitet der uns beschäftigenden Abgrenzung der Um-
stand, daß die Deutsche StrafP O. die Vorschriften über die materiellen Untersuchungs-
akte zerstreut hat, und daß sich in dem der V. gewidmeten Abschnitt solche finden,
die doch auch für das Vorbereitungsverfahren Bedeutung haben. Die Vorschrift,
welche insbesondere § 191 der StrasP O. für die Mitwirkung des Angeschuldigten
und seines Vertheidigers beim Augenschein und bei der Vernehmung eines Zeugen
oder Sachverständigen ertheilt, dessen Vernehmung in der Hauptverhandlung nicht
in sichere Aussicht zu ziehen ist, scheint zwar nur der V. zu gelten, zumal nur in
dieser ein „Angeschuldigter“ vorhanden ist; da jedoch dem Vorbereitungsverfahren
ganz speziell die Aufnahme von Beweisen, die verloren gehen könnten, zugewiesen
ist, so kann, wenigstens so weit eine bestimmte Person bereits durch Festnahme als
verdächtig behandelt wird, nicht angenommen werden, daß es die Absicht des Ge-