1220 Wahrheitsbeweis.
mehrung oder Verminderung der rechtmäßigen Anzahl der Wahl= oder Stimmzettel oder
-zzeichen; die Verfälschung oder Vertauschung derselben; das Niederschreiben anderer
als der angegebenen Namen auf die Zettel derjenigen Personen, die nicht schreiben
können, und das Niederschreiben anderer als der angegebenen Namen in das Protokoll.
Da aber eine Wahlfälschung noch durch andere Handlungen möglich ist, hat das
Deutsche Straf G. derartige kasuistische Bestimmungen vermieden. — Nicht schlechthin
strafbar ist, wenn Jemand wissentlich unberechtigt stimmt, denn diese Stimme ist
zu den ungültigen zu rechnen (Olshausen, S. 396 N. 2). Je nachdem Subjekt
der Wahlfälschung Derjenige ist, welcher mit der Sammlung der Wahl= oder Stimm-
zettel oder zzeichen beauftragt ist, oder eine andere Person, ist die Strafe ver-
schieden; im ersteren Falle Gefängniß von einer Woche bis zu drei Jahren, im
letzteren von einem Tage bis zu 2 Jahren; in beiden Fällen kann außerdem auf
Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
3) Wahlbestechung (§ 109) nennt man den Kauf bzw. Verkauf einer
Wahlstimme. Dem Wahlrecht entspricht nicht eine rechtliche Pflicht, zu wählen;
das Gesetz verlangt daher auch nicht, daß Jemand wähle, vielmehr nur, daß die
Abgabe der Wahlstimme nicht aus persönlichen Motiven erfolge. Verkäufer der
Wahlstimme kann nur der Wahlberechtigte, Käufer auch eine andere Person als der
zu Wählende sein. Gleichgültig ist es, von welcher Seite die Initiative ausgeht.
Die strafbare Handlung besteht darin, daß der Verkäufer der Wahlstimme verspricht,
eine bestimmte Person oder in bestimmtem Sinne zu wählen, — die Wahlenthaltung
gehört nicht hierher, ist daher straflos — der Käufer dafür eine Vergütung gewährt
oder zu gewähren verspricht. Da auf ein solches Uebereinkommen nicht die civil-
rechtlichen Grundsätze vom Kaufe zur Anwendung kommen, so kann die Vergütung
nicht blos in baarem Gelde bestehen (der erste Entwurf enthielt die Worte „für
Geld oder andere Vortheile"). Für den Begriff und die Vollendung der W.
ist es irrelevant, ob der Wähler auch ohne die Vergütung in gleichem Sinne gestimmt
haben würde und ob die Wahlstimme wirklich abgegeben ist. Nothwendig ist jedoch
eine Willensäußerung beider Theile, d. h. des Käufers und des Verkäufers. Die
Handlung eines Theils kann nur als Versuch aufgefaßt werden, der straflos bleibt. —
Wie bei der Wahlfälschung wird auch bei der Wahlbestechung verlangt, daß es sich
um eine böffentliche Angelegenheit handelt. — Als Strafe ist Gefängniß von einem
Monat bis zu 2 Jahren nebst fakultativem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte
angedroht.
SInbz Deutsches Strafchn. 88 107 - 109. — Code pénal art. 109—113. — Belgien
art. 137—141 Basel-Stadt §§ 57—59. — Zürich § 81. — Oesterr. Entwurf
vom Jahre 1874 §6 alel — Ungarn I§ 178—189. — Niederlande 88 124—130.
Lit.: Mittermaier im Archiv des Kriminalrechts, Jahrg. 1849, S. 338 ff. — Drenk-
mann in Goltdammer's Archiv Bd. XVII. (1869), 168 ff. — John in v. Holtzen=
dorff's Handbuch des Deutschen Strafrechts, Bd. III. 83 ff. — Dazu die Kommentare
von Oppenhoff, v o. Schwars e, Rüdorff, Rubo u. So Olbshausen. — Deutsche
Strafrechtspraxis, Bo. 1 18 S. 85; Bd. II (1880) S. 113—116. — Boitard, Leçons
de droit criminel (X. 4d. ), nr. 189 ss. Dochow.
Wahrheitsbeweis (vgl. d. Art. Beleidigung). Der W., d. h. als ter-
minus technicus des Strafrechts: der Beweis, daß eine in Beziehung auf einen Andern
behauptete oder verbreitete Thatsache, welche denselben verächtlich zu machen oder in
der öffentlichen Meinung herabwürdigen oder seinen Kredit zu gefährden geeignet
ist, wahr sei, wird häufig auch als Einrede der Wahrheit, exceptio veritatis (veri)
bezeichnet. Diese Benennung ist besser zu vermeiden, da sie Veranlassung zu der
Annahme geben kann, der W. sei wie eine Einrede im Civilprozeß zu behandeln,
was durchaus falsch sein würde. Im Strafprozeß, auch wenn derselbe die Form
der Privatklage annimmt, ist von einer Vertheilung der Beweislast zwischen
Ankläger und Angeklagtem nach Art des Civilprozesses keine Rede. Namentlich liegt