Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1220 Wahrheitsbeweis. 
mehrung oder Verminderung der rechtmäßigen Anzahl der Wahl= oder Stimmzettel oder 
-zzeichen; die Verfälschung oder Vertauschung derselben; das Niederschreiben anderer 
als der angegebenen Namen auf die Zettel derjenigen Personen, die nicht schreiben 
können, und das Niederschreiben anderer als der angegebenen Namen in das Protokoll. 
Da aber eine Wahlfälschung noch durch andere Handlungen möglich ist, hat das 
Deutsche Straf G. derartige kasuistische Bestimmungen vermieden. — Nicht schlechthin 
strafbar ist, wenn Jemand wissentlich unberechtigt stimmt, denn diese Stimme ist 
zu den ungültigen zu rechnen (Olshausen, S. 396 N. 2). Je nachdem Subjekt 
der Wahlfälschung Derjenige ist, welcher mit der Sammlung der Wahl= oder Stimm- 
zettel oder zzeichen beauftragt ist, oder eine andere Person, ist die Strafe ver- 
schieden; im ersteren Falle Gefängniß von einer Woche bis zu drei Jahren, im 
letzteren von einem Tage bis zu 2 Jahren; in beiden Fällen kann außerdem auf 
Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. 
3) Wahlbestechung (§ 109) nennt man den Kauf bzw. Verkauf einer 
Wahlstimme. Dem Wahlrecht entspricht nicht eine rechtliche Pflicht, zu wählen; 
das Gesetz verlangt daher auch nicht, daß Jemand wähle, vielmehr nur, daß die 
Abgabe der Wahlstimme nicht aus persönlichen Motiven erfolge. Verkäufer der 
Wahlstimme kann nur der Wahlberechtigte, Käufer auch eine andere Person als der 
zu Wählende sein. Gleichgültig ist es, von welcher Seite die Initiative ausgeht. 
Die strafbare Handlung besteht darin, daß der Verkäufer der Wahlstimme verspricht, 
eine bestimmte Person oder in bestimmtem Sinne zu wählen, — die Wahlenthaltung 
gehört nicht hierher, ist daher straflos — der Käufer dafür eine Vergütung gewährt 
oder zu gewähren verspricht. Da auf ein solches Uebereinkommen nicht die civil- 
rechtlichen Grundsätze vom Kaufe zur Anwendung kommen, so kann die Vergütung 
nicht blos in baarem Gelde bestehen (der erste Entwurf enthielt die Worte „für 
Geld oder andere Vortheile"). Für den Begriff und die Vollendung der W. 
ist es irrelevant, ob der Wähler auch ohne die Vergütung in gleichem Sinne gestimmt 
haben würde und ob die Wahlstimme wirklich abgegeben ist. Nothwendig ist jedoch 
eine Willensäußerung beider Theile, d. h. des Käufers und des Verkäufers. Die 
Handlung eines Theils kann nur als Versuch aufgefaßt werden, der straflos bleibt. — 
Wie bei der Wahlfälschung wird auch bei der Wahlbestechung verlangt, daß es sich 
um eine böffentliche Angelegenheit handelt. — Als Strafe ist Gefängniß von einem 
Monat bis zu 2 Jahren nebst fakultativem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte 
angedroht. 
SInbz Deutsches Strafchn. 88 107 - 109. — Code pénal art. 109—113. — Belgien 
art. 137—141 Basel-Stadt §§ 57—59. — Zürich § 81. — Oesterr. Entwurf 
vom Jahre 1874 §6 alel — Ungarn I§ 178—189. — Niederlande 88 124—130. 
Lit.: Mittermaier im Archiv des Kriminalrechts, Jahrg. 1849, S. 338 ff. — Drenk- 
mann in Goltdammer's Archiv Bd. XVII. (1869), 168 ff. — John in v. Holtzen= 
dorff's Handbuch des Deutschen Strafrechts, Bd. III. 83 ff. — Dazu die Kommentare 
von Oppenhoff, v o. Schwars e, Rüdorff, Rubo u. So Olbshausen. — Deutsche 
Strafrechtspraxis, Bo. 1 18 S. 85; Bd. II (1880) S. 113—116. — Boitard, Leçons 
de droit criminel (X. 4d. ), nr. 189 ss. Dochow. 
Wahrheitsbeweis (vgl. d. Art. Beleidigung). Der W., d. h. als ter- 
minus technicus des Strafrechts: der Beweis, daß eine in Beziehung auf einen Andern 
behauptete oder verbreitete Thatsache, welche denselben verächtlich zu machen oder in 
der öffentlichen Meinung herabwürdigen oder seinen Kredit zu gefährden geeignet 
ist, wahr sei, wird häufig auch als Einrede der Wahrheit, exceptio veritatis (veri) 
bezeichnet. Diese Benennung ist besser zu vermeiden, da sie Veranlassung zu der 
Annahme geben kann, der W. sei wie eine Einrede im Civilprozeß zu behandeln, 
was durchaus falsch sein würde. Im Strafprozeß, auch wenn derselbe die Form 
der Privatklage annimmt, ist von einer Vertheilung der Beweislast zwischen 
Ankläger und Angeklagtem nach Art des Civilprozesses keine Rede. Namentlich liegt
	        
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