Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1224 Wahrspruch. 
Verneinung schon vorher genau festgestellt ist. Es ist daher hier nur noch von dem 
formellen Vorgange bei Feststellung und Verkündigung des W. zu sprechen. 
Während in England es zulässig ist und thatsächlich die Regel bildet, daß die 
Geschworenen sich über ihren W. noch im Sitzungssaale einigen, müssen sie auf 
dem Kontinent sich in ihr Berathungszimmer zurückziehen. Ehe sie sich zurückziehen, 
werden ihnen die vom Vorsitzenden unterschriebenen Fragen übergeben; der Bogen 
ist so eingerichtet, daß neben jede Frage die Antwort geschrieben werden kann. 
Nach der Oesterr. Straft O. (5 325 Abs. 2) werden ihnen außerdem die Anklage- 
schrift, das über einen Einspruch gegen dieselbe ergangene Erkenntniß, sofern es in 
der Hauptverhandlung vorzulesen war, die Beweisgegenstände, die Augenscheinspro- 
tokolle sowie die übrigen Progeßakten, mit Ausnahme der in der Hauptverhandlung 
nicht verlesenen Vernehmungsprotokolle mitgegeben. Die Deutsche StrasP O. be- 
stimmt hierüber nur (§ 202): „Gegenstände, welche in der Verhandlung den Ge- 
schworenen zur Besichtigung vorgelegt wurden, können ihnen in das Berathungs- 
zimmer verabfolgt werden“. — Sovwie sich die Geschworenen zurückziehen, wird auch 
der Angeklagte aus dem Sitzungssaale entfernt, in den er der Regel nach nicht eher 
zurückkehrt, als bis der W. als regelrecht vom Gerichtshof angenommen ist; eine 
Ausnahme tritt jedoch ein, wenn über Aenderungen der Fragen verhandelt werden muß. 
Die Geschworenen müssen unaufgehalten in das Berathungszimmer gehen und 
werden in demselben von jedem Verkehr mit der Außenwelt abgeschnitten; nur dürfen 
sie unter Umständen (s. unten) den Schwurgerichtspräsidenten zu sich bitten. Das 
Verbot des Verkehrs mit der Außenwelt läßt sich aber nicht unbedingt aufrecht 
halten; es kann die Erkrankung eines Geschworenen die Beiziehung eines Arztes 
nöthig machen und es kann auch sonst nöthig sein, daß den Geschworenen etwas 
gebracht werde, da das Englische Verbot der Einnahme von Erfrischungen u. dgl. 
auf den Kontinent nicht übergegangen ist. Der Vorsitzende darf daher ausnahms- 
weise gestatten, daß ein Dritter das Berathungszimmer betrete; das Oesterr. Gesetz 
fordert in diesem Falle eine schriftliche Bewilligung, welche aber keinesfalls bezüglich 
desjenigen nöthig ist, welcher berufen ist, nöthigenfalls den Verkehr zwischen dem 
Vorsitzenden und den Geschworenen herzustellen. Das Deutsche Gesetz erwähnt auch 
des Rechtes des Vorsitzenden, zu gestatten, daß ein Geschworener das Berathungs- 
zimmer verlasse. — Die Oesterr. Stras P. spricht noch ausdrücklich aus, daß der 
Abstimmung der Geschworenen bei sonstiger Nichtigkeit Niemand beiwohnen dürfe; 
diese Bestimmung ist auch auf Ergänzungs-(Ersatz-) Geschworene, welche 
nicht zur Ergänzung der Zwölfzahl herangezogen waren, angewendet worden. 
Das erste Geschäft, das die Geschworenen in ihrem Berathungszimmer vor- 
nehmen, ist die Wahl des Obmannes (sforeman, chef du jury). Das Deutsche 
Gesetz verlangt hierfür schriftliche Abstimmung; nach demselben ist nur „Mehrheit 
der Stimmen“ erforderlich und entscheidet bei Stimmengleichheit das höhere Lebens- 
alter; die Oesterr. StrafP# O. verlangt „einfache Stimmenmehrheit“. — Nach letz- 
terem Gesetz hat der Obmann zunächst die dem Französischen Gesetze entnommene 
„Belehrung“ über die Pflichten der Geschworenen, welche nebst den den Vorgang 
im Berathungszimmer betreffenden Gesetzesstellen auch an der Wand angeschlagen ist, 
zu verlesen. 
Sodann haben die Geschworenen sich über ihren W. zu berathen, eine For- 
derung, auf welche mit Recht großes Gewicht gelegt wird, welche aber mit der in 
Frankreich und nach dessen Vorbild in Italien eingeführten schriftlichen Ab- 
stimmung sich gar nicht vereinen läßt, da nothwendig entweder die Berathung 
oder das Geheimniß der Abstimmung illusorisch werden muß. — Die Ab- 
stimmung findet mündlich in der Weise statt, daß der Obmann den Geschworenen 
die vom Gericht festgestellten Fragen vorliest, worauf dann jeder Einzelne mit Ja! 
oder Nein! antwortet. Das Jal kann indeß dadurch beschränkt werden, daß ein- 
zelne in der Frage enthaltene Momente verneint werden. Diese Gestattung hat
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.