Wahrspruch. 1227
sentlich erleichtert wird. Indeß darf nicht übersehen werden, daß die Einrichtung
eine praktisch nicht unwichtige Konsequenz habe. Wird eine besondere Frage hin—
sichtlich der Zurechnungsfähigkeit nicht gestellt, so ist diese Frage unbestritten in der
allgemeinen mit enthalten; jene Geschworenen, welche die Zurechnungsfähigkeit als
ausgeschlossen ansehen, werden die Hauptfrage mit Nein beantworten, und es ge—
nügt daher, daß ihrer fünf dieser Ansicht sind, um den Angeklagten der Strafe zu
entziehen. Anders, wenn eine Zusatzfrage gestellt wird; in diesem Falle nämlich
müssen sich zur Bejahung derselben mindestens sechs Stimmen zusammenfinden.
Insofern liegt nun allerdings in der Aufstellung der besonderen Frage eine Benach-
theiligung des Angeklagten; allein sie wird vollkommen dadurch ausgeglichen, daß
dem Gerichtshof die Verpflichtung auferlegt ist, jedesmal die Frage zu stellen,
sobald eine entsprechende Behauptung vorgebracht wird."“
Sind alle Fragen beantwortet (soweit nicht durch Bejahung einer Haupt-
frage die Neben-Zusatz-Fragen, oder durch Verneinung derselben die Hülfs-
oder Eventualfragen entfallen), so unterzeichnet der Obmann den Fragebogen, und die
Jury tritt in den Sitzungssaal zurück. Nach wiederaufgenommener Sitzung verkün-
det der Obmann den W. mit den vom Gesetz vorgezeichneten solennen Worten und
durch Verlesung der Fragen und Antworten. In diesem Stadium des Verfahrens
können Irrthümer, die sich in den vorgelesenen W. eingeschlichen haben, noch berich-
tigt werden, während eigentliche Meinungsänderungen nur bis zum Verlassen des
Berathungszimmers berücksichtigt werden können.
Den verkündigten W. prüft nun der Gerichtshof, und wenn sich Formgebrechen,
Undeutlichkeiten, unlösbare Widersprüche u. dgl. zeigen, so schickt er die Geschworenen
zur Verbesserung des W. ins Berathungszimmer zurück (Moniturverfahren,
Berichtigung des W., /.. diesen Art.).
Nimmt der Gerichtshof den W. an, so kommt ihm weiter das Recht zu, falls
er der einhelligen Ueberzeugung ist, daß die Geschworenen sich in der Hauptsache
zum Nachtheile des Angeklagten geirrt haben, von Amtswegen das weitere Verfahren
aufzuschieben und die Sache zu nochmaliger Verhandlung in die nächste Schwur-
gerichtssession zu verweisen (Deutsche StrafPp O. § 317, Oesterr. § 332).
Ist der W. vom Gerichtshof annehmbar befunden worden, so wird der An-
geklagte vorgerufen, und in dessen Gegenwart das Verdikt definitiv verkündet.
Gsgb. u. Lit.: Brauer, Die Deutschen Schwurgerichtsgesetze, S. 195 —212. — Planck,
System. i §§ 145, 146. — Zachariä, Deutsches Strafprozeßrecht, II. S. 527
bis 555. — Walther, Bayer. Strafprozeßrecht, S. 359—3474. eindolbbmann, Repertorium,
S. 140—144. — Zacke, Fragenstellung und Wahrsprüche (geivo. 435 S. 116—174. —
v. Bar, Recht und Beweis im Geschworenengericht (Hann. 1865), S. 258 ff. — Oppen-
hoff und Liman= Schwark zu Art. 88—100 des Gesetzes von 2 — v. Bertrab,
Grundriß, den Ichwurgerichtlichen Strafprozesses, S. 143—148. — Liman, Preußischer Straf-
brogeß., . 317. Schwarze, Strafprozeßges. im Königreich Sachsen, II. Heft 2,
S. 0.n — 5Miernsch Geseßzgebung und Rechtsübung, S. 548 ff.; Derselbe, Engl.
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S. 140—203, 374—400. — Hélie, Théorie de bnstr. crim., §§ 684—698, 704; Derselbe,
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455. — Dalloz. Bepertoire verbo: Instruct. criminelle, ur. 2996—3561.— Anspach,
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p. 403—433. — Cubain, Procédure dev. les Cours d’Assises, p. 390—419. — Deuts che
— §§ 301—313, 312. — Oesterreich. Straf P O. §§ 325—332. — S. die bei d. Art.
Ablehnungvon Geschw orenen angef. nach Paragraphen geordneten Lommentare zu beiden
Lh — Ullmann, Das Oesterr. Etrafprozeßrecht (Innsbr. 1879), S ’e —
Dochow, Der Reichs- Strasprerer 3 Aufl. 1880), S. 251 ff. — H. M eyer in
v. Holbendorff. 3 Handb. 190—206, *s55 213—217. — Geyer, Lehrbuch, . 222
bis 224. — John, Das o une Strafprozeßrecht, §5§ 49, 51. — Mel, Codiece d proc.
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Glaser.