Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

Wanderlager. 1237 
Wanderlager. Darunter ist jeder Gewerbebetrieb innerhalb des eigentlichen 
Wohnsitzes des Gewerbetreibenden in solchen Zweigniederlassungen, die nur als mobile, 
vorübergehende betrachtet werden können, zu verstehen. Die Gewerbeordnung für den 
vormals Norddeutschen Bund vom 21. Juni 1869 hat diese Art des Gewerbebetriebs 
keineswegs zu dem eigentlichen Gewerbe gezählt. Zwar haben die Motive dieses Gesetzes 
nicht verkannt, daß, eine gleich gute und gleich wohlfeile Versorgung des verbrauchen- 
den Publikums vorausgesetzt, eine Versorgung desselben durch den stehenden Gewerbe- 
betrieb, statt durch den umherziehenden, im Allgemeinen vorzuziehen sein wird. 
Allein ein Zustand, wo der stehende Gewerbebetrieb so ausgebildet ist, daß er der 
Ergänzung durch den umherziehenden nicht mehr bedarf, und in Folge dessen den 
umherziehenden Betrieb durch die natürliche Uebermacht seiner Konkurrenz ausschließe, 
könne nicht durch das Gesetz erzwungen werden, er bilde für jeden Zweig der Ver- 
sorgung des Verbrauchs das Ergebniß einer langjährigen gewerblichen und Kultur- 
entwickelung. Da nun die Möglichkeit des stehenden Betriebs von einem gewissen 
Umfange des Absatzes abhänge und die hauptsächlichste Wirkung des umherziehenden 
Betriebes darin bestehe, Propaganda für den Absatz, für Erweiterung des Marktes 
zu machen, so wird eine Beschränkung des umherziehenden Betriebes zu Gunsten des 
stehenden, eine dem Bedürfniß des Publikums entsprechende Entwickelung des stehen- 
den Betriebes nicht fördern, sondern hemmen. Leider sind in erster Linie die Zeit- 
verhältnisse, welche dem weit über das Ziel hinausgreifenden Aufschwunge des An- 
fangs der siebziger Jahre unmittelbar gefolgt sind, einer Prüfung dieses Theils der 
Deutschen Gewerbeordnung höchst ungünstig gewesen. Die große Uebersetzung aller 
Gewerbe, vielfach veranlaßt durch das völlige Mißverstehen des eigentlichen Zwecks 
der Gewerbefreiheit, — der Reichthum an Ausschuß= und Fallitwaaren, den eben 
jene Zeiten einer traurigen Krise nur zu häufig lieferten und deren Verschleiß auf 
dem mobilen Wege der W. viel bequemer war als durch den leichter kontrolirbaren 
stehenden Gewerbebetrieb ließ wenigstens in gewissen Gegenden Deutschlands das 
W wesen in einer Weise auftreten, daß sich fortgesetzte Klagen über dasselbe erhoben, 
die um so nachhaltiger wurden, je mehr allmählich eine weitere Reihe von Bestim- 
mungen des ganzen Gewerbegesetzes Gegenstand der öffentlichen Anklage von Seite 
des Kleingewerbestandes geworden war. Die Deutsche Reichsregierung hielt diefer 
fortgesetzten Bewegung gegenüber eine eingehende Enquste für geboten, deren Resultat 
aber nur bewies, daß die Nachtheile der W. denn doch ganz erheblich überschätzt 
worden waren, daß viele Folgen, die den W. nachgesagt wurden, mehr zufällig, 
vorübergehend waren, ja daß in gar manchen Fällen die W. sich als eine durchaus 
berechtigte Erscheinung, wenn nicht als eine höhere, geschichtliche Phase im Anschlusse 
an die Jahrmärkte der früheren Zeiten darstellten, nur mit dem Unterschiede, daß 
diese Jahrmärkte früher an bestimmte Zeitmomente geknüpft waren, nunmehr aber 
in beweglichster Form den jeweiligen Bedürfnissen der Konsumenten sich anpaßten. 
Das Reich ist daher bis zur Stunde mit einer Aenderung der Gesetzgebung selbst 
nicht weiter vorgegangen. Nur der Bundesrath hat bestimmte Beschlüsse, eine Art 
Direktiven gefaßt, die aber zum Theil noch gar nicht ausgeführt erscheinen. 
1) Es seien die W. als ein Gewerbebetrieb im Umherziehen zu behandeln und 
zu demselben der Regel nach diejenigen Unternehmungen zu rechnen, in welchen 
außerhalb des Wohnortes des Unternehmers und außer dem Meß= und Marktverkehr 
von einer festen Verkaufsstätte (Laden, Magazin, Zimmer, Schiff u. dgl.) aus 
vorübergehend Waaren feilgehalten werden, wobei die Anzeige von der Eröffnung 
eines bestehenden Gewerbebetriebes nach § 14 der Gewerbeordnung nicht als ein 
Moment anzusehen sei, welches der Beurtheilung, ob ein Unternehmen thatsächlich 
als W. anzusehen sei, präjudizire. 
2) Es sei, soweit thunlich, der Erlaß von Polizeiverordnungen herbeizuführen, 
nach welchen Inhaber von W. a) öffentliche Ankündigungen ihrer Waaren nur unter 
den in ihrem Legitimationsscheine aufgeführten Namen mit Hinzufügung des Wohn- 
 
	        
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