1246 Wasserbenutzung.
züge, welche gelegentlich einer Regulirung an die Stelle des Bettes eines natürlich
fließenden Wasserlaufs treten, nicht als Kanäle zu behandeln sind, sondern die recht-
liche Natur des regulirten Flusses oder Baches annehmen.
Zwischen diesen beiden Kategorien der öffentlichen und der im ausschließlichen
Eigenthums- und Nutzungsrecht befindlichen Gewässer steht eine sehr reich besetzte,
wichtige dritte Kategorie mitten inne, die natürlich fließenden Ge-
wässer, welche nicht schiffbar, bzw. floßbar sind. Dazu gehören auch
die schiff= und floßbaren Gewässer mit ihren Strecken oberhalb des Punktes, von
dem an die Schiff= und Floßfahrt beginnt, und die Zuflüsse derselben, ferner nach
einigen Gesetzen — z. B. Preußen — auch die floßbaren Gewässer. Hinsichtlich der
rechtlichen Natur dieser Gewässer und der gesetzlichen Befugniß zu ihrer Benutzung
gelten nach den Deutschen Partikularrechten zwei verschiedene Systeme. Nach der
älteren, für den größten Theil Deutschlands geltenden Gesetzgebung, werden diese
natürlich fließenden Gewässer als Gegenstand des Privatrechts, als Privatflüsse
und Privatbäche, anerkannt, mit der rechtlichen Folge, daß die Eigenthümer der
von dem Gewässer berührten oder durchströmten Grundstücke kraft Gesetzes entweder
einen Privatrechtsanspruch auf ausschließliche Benutzung des Bettes und des Wassers
oder sogar ein Eigenthumsrecht am Bett und manchmal auch an dem Wasser haben.
So nach dem Code civil art. 640, dem Preuß. Gesetz vom 28. Febr. 1843, dem
Bayer. Wassergesetz von 1852, dem Oesterr. Wasserrechtsgesetz von 1869, dem Bad.
Wassergesetz von 1876 u. a. m. Nach einer Anzahl neuerer Wassergesetze werden
dagegen auch diese nicht schiff= bzw. floßbaren fließenden Gewässer als öffentlich
behandelt, derart, daß, abgesehen von den auf besonderen Privatrechtstiteln beruhenden
Ansprüchen, ein dingliches Recht der Anlieger am Bett oder doch am fließenden
Wasser nicht begründet ist, vielmehr der Gebrauch des Wassers sowol zu den kleinen
Nutzungen als auch zur Bewässerung und Kraftleistung Jedermann zusteht, der nach
der örtlichen Lage zur Benutzung thatsächlich im Stande ist. Dies ist namentlich
der Standpunkt der Wiesenordn. für den Kreis Siegen vom 28. Okt. 1846 und
der neueren Wassergesetze einer Anzahl kleinerer Deutscher Staaten, z. B. des
Gothaischen Gesetzes vom 12. April 1859, des Sachs.-Altenb. Gesetzes vom 18. Okt.
1865, des Schwarzb.-Rudolst. Gesetzes vom 7. Febr. 1868, des Koburg. Gesetzes vom
7. Febr. 1871, des Meining. Gesetzes vom 6. Mai 1872, des Braunschw. Gesetzes
vom 20. Juni 1876. — Der Unterschied zwischen den beiden Arten der juristischen
Gestaltung des W.rechts ist übrigens nicht so erheblich, als er bei der ersten Be-
trachtung erscheint. Auch wo die nicht schiff= und floßbaren Bäche und Flüsse als
Privatgewässer dem Besitze und der Benutzung der Anlieger überwiesen sind, ist
nach der Natur der fließenden Wasserwelle, welche sich durch beständige Fortbewegung
einer allseitigen privatrechtlichen Herrschaft entzieht, ein Eigenthum der Anlieger am
Wasser selbst nicht zu konstruiren; ja auch bezüglich des Bettes dieser Gewässer
wird, wo es nicht ausdrücklich kraft Gesetzes den Anliegern zu Eigenthum zugewiesen
ist, von der neueren Praxis und Theorie (vgl. die Schriften von Nieberding, Huber,
Peyrer, Schenkel) meist angenommen, daß dasselbe, solange es zur Zusammenhaltung
des fließenden Wassers dient, die juristische Natur der darin befindlichen, dem Eigen-
thumsrecht sich entziehenden Wasserwelle theile. Es schrumpft daher auch bei diesem
System das den Anliegern am Wasserlauf gesetzlich zustehende Recht auf einen privat-
rechtlichen Anspruch zur Benutzung der treibenden und befruchtenden Kraft des
Wassers, sowie zur Okkupation der Wasserwelle und einzelner Bestandtheile des
Bettes zusammen, ein Anspruch, der außerdem noch vielfach durch die Jedermann
eingeräumte Befugniß der kleinen Nutzungen (Tränken, Schöpfen u. dgl.) und stets
durch die dem Benutzungsberechtigten zur Pflicht gemachte Rücksichtnahme auf die
anderen am gleichen Wasserlaufe Berechtigten erhebliche Einschränkungen erleidet.
Andererseits aber findet auch dort, wo die nicht schiffbaren Wasserläufe als öffentliche
Gewässer erklärt und prinzipiell der allgemeinen Nutzung eröffnet sind, dieser Ge-