Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1298 Wegeordnungen. 
sich die Verwendungen zur Wegebesserung auf 248 Mill. Francs, umfassend 
338 529 Vizinalwege in einer Länge von 189 862 Kilometern (während die ge- 
sammten Landstraßen und Departementalwege nur 72.000 Kilometer betrugen). Einen 
Theil des Systems bilden auch die chemins vicinauxt de grande com- 
munication, die in der früheren Gesetzgebung als Kantonal= oder Kreiswege be- 
zeichnet wurden. Ihre Deklaration als solche erfolgt durch Beschlüsse des General= 
raths nach Anhörung der Munizipal= und Kreisräthe. Dem Generalrath stehen 
auch die Beschließungen über die Direktion, über die Vertheilung der Erhaltungs- 
pflicht, die Zuschüsse aus der Departementskasse und die Etats der Wegeinspektion 
zu. Zu der Erhaltung derselben tragen aber die Einzgelgemeinden nur mit zwei 
Drittel ihres Zusatzcentimes und mit zwei Drittel ihrer Naturalleistungen bei, 
während das Departement für diese Wegeerhaltung einen regelmäßigen und ansehn- 
lichen Beitrag gewährt. — Eine völlig gesonderte Gesetzgebung besteht für die 
Landstraßen, la grande voirie, welche seit 1811 in die routes nationales 
und routes départementales zerfallen. Die routes nationales können nur kraft eines 
Gesetzes nach vorgängiger enquste administrative dafür erklärt werden, ihr Boden 
gilt als Staatseigenthum, für ihre Breite und gewisse Grundzüge der Verwaltung 
sind gesetzliche Normativbestimmungen gegeben. Die Bestreitung der Kosten und die 
Einzelverwaltung fallen den Centralbehörden des Staats zu. — Wieder ein völlig 
gesondertes System bilden die städtischen Straßen, la voirie urbaine, welche 
auch die neueste Englische Gesetzgebung immer mehr von der gewöhnlichen Wege- 
verwaltung trennt und mit dem verwickelten System der Gesundheits= und Bau- 
polizei der neueren Health Acts verbindet. 
Die W. Deutschlands bieten noch immer das Bild einer sehr ungleich- 
artigen, zum großen Theil vernachlässigten Gestaltung dar, welche im Zusammenhang 
mit der örtlich ungleichen Entwickelung der industriellen Gesellschaft, mit den 
noch fortdauernden Elementen der Naturalwirthschaft und mit einem sehr 
unentwickelten, ungleichartigen Kommunalstenersystem stehen. In reicheren Landes- 
theilen und Kleinstaaten ist durch die Einsicht der Lokalinteressenten und der Staats- 
behörden ein verhältnißmäßig guter Zustand geschaffen. In einem großen Theile 
Deutschlands aber ist der Zustand der Vizinalwege wie der Chausseen hinter dem 
Bedürfniß des heutigen Verkehrs zurückgeblieben, namentlich auch noch in einem 
großen Theil des Preußischen Staats. Die Land= und Heerstraßen waren auch 
hier lediglich dem Staat überwiesen mit einer Befugniß, die Hand= und Spann- 
dienste der Nachbarschaft „zur Beihülfe“ heranzuziehen. Etwas bestimmtere Grund- 
sätze enthalten die Provinzial-W., aber mit sehr unmotivirten Abweichungen 
unter einander. Zu den Gemeindewegen sollen nach dem Allg. LR. die „Ge- 
spann haltenden Einwohner“ nach Verhältniß ihrer Klassen zu Spanndiensten, die 
„vertrags= oder gewohnheitsmäßig verpflichteten Wirthe“ zu Handdiensten heran- 
gezogen, die Geld ausgaben nach Verhältniß der „Staatssteuern“ aufgebracht werden. 
Solche lückenhafte, völlig unzureichende Vorschriften ergänzen sich dann nothdürftig 
durch eine elastische Verwaltungspraxis. Das „Oberaufsichtsrecht“ tritt hier 
wie sonst an die Stelle der fehlenden Verwaltungsgesetze, zu welchen bisher weder 
der absolute, noch der konstitutionelle Staat zu gelangen vermochte. Regierungen, 
Landräthe, Magistrate, Ortspolizei, Gendarmen bilden in den meisten Landestheilen 
die eigentliche W. Ihre allgemein gehaltenen Befugnisse haben den vorhandenen 
erträglichen Zustand geschaffen unter einer Gesetzgebung, welche sich vielfach noch in dem 
patriarchalischen Zustand des 18. Jahrh. befindet. Alle Verfügungen, Veränderungen, 
Verlegungen der Wege, die Erklärung eines Weges für einen öffentlichen Weg, die 
Maßregeln zur Reparatur und Sperrung von Wegen, die Streitigkeiten über das 
Maß der Benutzung öffentlicher Wege, über die Verpflichtung der Anwohnenden zu 
Hand= und Spanndiensten, fallen dem laufenden Verwaltungsdecernat zu, mit Vor- 
behalt des Rechtswegs nur über Eigenthumsverhältnisse, Servituten, Privatrechts-
	        
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