1322 Widersetzlichkeit.
Das Gericht hat zunächst zu prüfen, ob die Erfordernisse der W. vorhanden sind,
und entscheidet dann, ohne daß ein Eröffnungsbeschluß wie bei der Erhebung der
Privatklage erlassen wird, gleichzeitig über Klage und W. Dabei ist eine
etwaige Zurücknahme der Klage auf das Verfahren über die W. ohne Einfluß. Ueber
den gewiß seltenen Fall, wenn die Staatsanwaltschaft in das Privatklageverfahren
eintritt, wodurch der Privatkläger die Rolle des Nebenklägers übernimmt, die W.
verschwindet und Privatkläger und Widerkläger als Angeklagte erscheinen, vgl. be-
sonders Dochow in v. Holtzendorff's Handb. Bd. II. S. 369.
Handelt es sich bei Privatklage und W. um wechselseitige Beleidigungen und
Körperverletzungen, die auf der Stelle erwidert sind, so können beide Theile oder
nur ein Theil für straffrei erklärt werden, bzw. ein Theil eine mildere Strafe er-
halten (vgl. den Art. Retorsion im Strafrecht). Die Verurtheilung eines
oder beider Theile in die Kosten wird hierdurch aber nicht ausgeschlossen (StrafP O.
8 P00.. Für die W. wird ein besonderer Satz nicht erhoben (Gerichtskostengesetz
70 Abs. 4).
n #iabs.4. den Komm. zu § 428 der StrafPO., bes. den von Löwe (2. Aufl.) und
Puchelt. — Dochow in v. Holtzendorff's Handbuch des Deutschen Strafprozeßrechts Bd.
II. S. 367 ff. und in seinem Reichs-Stras Proz., G. Aufl.) S. 269 ff. — v. Schwarze, Erörter.
praktisch wichtiger Materien, Heft 1 (1880) S. 32—36. Dochow.
Widersetzlichkeit (rect. Widersetzung) oder „Unbotmäßigkeit“ begeht, wer
durch Gewalt oder Drohung einer Amtshandlung der vollstreckenden Obrigkeit Wider-
stand entgegensetzt, z. B. einer Verhaftung, Haussuchung, Auspfändung, Steuerein-
treibung. Dies Vergehen, nach neuerer Gsgb. eine Spezies des „Widerstandes gegen
die Staatsgewalt“, nach Gem. Recht der Gewaltthätigkeit schlechthin (crimen vis),
scheidet sich einerseits vom bloßen nichtstrafbaren Ungehorsam des Einzelnen und
dem strafbaren Ungehorsam einer Menge (Auflauf) durch positive gegen die Obrig-
keit gerichtete Thätigkeit als Mittel zur Behauptung im Ungehorsam, andererseits
durch letztgenannten Zweck, nämlich ihre defensive (abwehrende) Richtung, von der
Nöthigung wider die Obrigkeit als That des Einzelnen oder einer Menge. Dem
Gem. Recht fehlt ein Strafgesetz über Widersetzung als solche, indem das Röm.
Recht regelmäßig vis publica, ausnahmsweise (bei Verübung gegen magistratus
majores) crimen majestatis annimmt, die Reichsgesetze sie schweigend der Landes-
gesetzgebung überantworten. Höchst verschieden behandelt und bezeichnet in den
heutigen Strafgesetzbüchern, im Code penal als „attaque ou resistance avec vio-
lence et voies de fait“ unter die allzuweite rebellion gestellt, im geltenden Oesterr.
Strafgesetz als dritter Fall des sog. Verbrechens der „Oeffentlichen Gewaltthätigkeit"“
behandelt, wird der Begriff der W. sachgemäß gekennzeichnet (aber in unklarer
Weise zusammengestellt mit „thätlichem Angriff“ auf Beamte während einer recht-
mäßigen Amtsausübung, ohne den Zweck eines Widerstandes) im Preußischen und
Deutschen Straf GB. Subjekt: der Einzelne als solcher, bald, was am nächsten liegt,
ein von der Amtshandlung Betroffener, bald ein Dritter; wogegen Aufruhr vorliegt,
wenn eine zusammengerottete Menge mit vereinten Kräften W. verübt. Objekt:
die Staatsgewalt in einem Vollstreckungsorgan, gleichviel ob berufen zur Vollziehung
von Gesetzen oder von Verwaltungsmaßregeln und Gerichtsverfügungen, gleichviel ob
der Vollstreckungsbeamte selbst oder zu dessen Hülfe verwendete Militärmannschaft,
Miliz oder Privatpersonen; jedoch nur insoweit, als dieses Organ „ in der recht-
mäßigen Ausübung seines Amtes“ sich befand. Ueberaus bestritten ist der Sinn
dieser Worte des Deutschen StrafS B. Nach sachgemäßer Auslegung ist Straflosig-
keit der W. (oder gar Nothwehr) nur dann anzunehmen, wenn die angebliche Amts-
handlung, nach Zuständigkeit oder Form oder Inhalt, objektiv und unzweifelhaft
gesetzwidrig war. That: vorsätzliche Widerstandshandlung durch Anwendung von
Gewalt (auch gewaltsames Sichlosreißen, Entreißen einer Sache, Zurückdrängen,
Einsperren kann genügen) oder durch Bedrohung mit Gewalt, die den Vollstrecker