Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1362 Wucher. 
Umgehung durch 1) Kauf, indem z. B. Jemand eine Sache zu einem hohen Preise 
von dem Wucherer auf Kredit kauft, um sie sofort demselben oder einem seiner 
Helfer zu einem geringern Preise gegen baar wieder zu verkaufen, oder sich unter 
einer hohen Konventionalstrafe verpflichtet eine Waare, für die er sofort den verein- 
barten Preis erhält, zu liefern, unter der stillschweigenden Voraussetzung, daß er 
nicht liefern kann, oder endlich in Form des Rückkaufgeschäftes, bei welchem Jemand 
unter Preis verkauft und für die Gestattung des Rückkaufes innerhalb einer be- 
stimmten Zeit eine hohe Prämie gewährt (val. Urtheil des Reichsgerichts vom 
25. Mai 1881 — Entscheidungen IV. S. 208, Rechtsprechung III. S. 322). 2) 
Cession, z. B. wenn Jemand wirkliche aber noch nicht fällige Ansprüche dem 
Wucherer für einen geringen Betrag in baar, oder eine unrealisirbare For- 
derung unter der Haftung für ihr Eingehen gegen einen unbedeutenden Cessionspreis 
abtritt u. s. w. 3) Wechsel, die ihrer rein formalen Natur wegen zur Verdeckung 
des W. am Kapitale besonders geeignet sind, aber auch in komplizirterer Form, 
z. B. so daß ein Vermittler dem Geldsuchenden vorschlägt für ihren gemeinschaft- 
lichen Bedarf einen Wechsel auszustellen, den dann der eigentliche Wucherer billig 
diskontirt, von dessen Betrage der Bewucherte aber nur einen Theil erhält, 
während er beim Verfall für die ganze Summe aufkommen muß, da sein Mit- 
kontrahent zahlungsunfähig ist. 4) Nebengeschäfte wie billigen Verkauf werth- 
voller, theueren Ankauf werthloser Sachen u. s. w. — Auch wird eine Verschleie- 
rung häufig dadurch bewirkt, daß die über das fragliche Geschäft ausgenommene 
Urkunde die Bedingungen desselben nicht vollständig enthält. 
Alle Fälle der Art werden von § 302a, welcher ganz allgemein von der Ge- 
währung von „Vermögensvortheilen", d. h. von Geld oder geldwerthen Sachen redet, 
mit umfaßt. Außerdem begründet die Thatsache der Verschleierung die Zulässigkeit 
einer Strafschärfung bis zum doppelten Betrage der Strafe für einfachen Wucher, 
d. h. es kann auf Gefängniß bis zu einem Jahre und Geldstrafe bis 6000 Mark 
und auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden (§ 302b.) Ob die 
Verschleierung mit oder ohne Wissen des Schuldners geschah, ist gleichgültig, nur 
wird im ersten Falle meist Betrug vorliegen. Als fernere Oualifikationsgründe 
werden behandelt a) die Wechselmäßigkeit des Versprechens, welche die Durchführung 
des ungerechtfertigten Anspruches wesentlich erleichtert, b) die Anwendung von 
Mitteln, welche einen moralischen Zwang auf den Schuldner ausüben sollen: das 
Versprechenlassen unter Verpfändung der Ehre, auf Ehrenwort, eidlich oder unter 
ähnlichen Versicherungen oder Betheuerungen (§ 302b). Eine weitere Erhöhung der 
Strafe, im Minimum und Maximum (Gefängniß von drei Monaten bis zu fünf 
Jahren, Geldstrafe von 150 bis 15000 Mark, und stets Verlust der bürgerlichen 
Ehrenrechte) tritt ein, wenn der W. gewerbs= oder gewohnheitsmäßig betrieben wird 
(6 3024). Die Bedeutung dieser Begriffe ist hier dieselbe wie im Strafrecht sonst, 
d. h. es kommt in der Praxis für ihre Anwendung wesentlich auf die Wiederholung 
des Deliktes an. Die allgemeinen Vorschriften über Konkurrenz hätten wol voll- 
kommen genügt, eventuell wären besondere Rückfallsstrafen vorzuziehen gewesen. Daß 
der gewerbsmäßige Wucherer ein gefährliches Subjekt ist, wird Niemand leugnen, 
daß er aber unter Anwendung von § 74 angemessen und zugleich hinlänglich hart 
bestraft werden könnte, ist wol ebenso gewiß. Wenn man außerdem fortfährt das 
gewerbs= oder gewohnheitsmäßige Delikt als kollektives zu behandeln, d. h. dabei 
nur die Summe der strafbaren Handlungen und nicht diefe selbst berücksichtigen zu 
wollen, so werden zahlreiche Kontroversen nicht ausbleiben, wie die Rechtsprechung 
auf Grund des § 263 des Preußischen Straf GB. zur Genüge bewiesen hat. 
Auf Bestimmungen über die civilrechtliche Wirkung des W. (Art. 3) hatte die 
Reichstagskommission in ihrem Entwurfe verzichtet, da sie der Meinung war: „die 
Praxis werde in den bestehenden civilrechtlichen Vorschriften über Ansprüche aus 
unerlaubten oder strafbaren Handlungen die nöthige Anleitung zur Beurtheilung der 
 
	        
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