Wucher. 1363
civilrechtlichen Folgen eines wucherlichen Geschäftes finden.“ Die Regierung da—
gegen ging davon aus, daß zwar allen Rechtssystemen der Grundsatz, daß unerlaubte
gegen ein Strafgesetz verstoßende Handlungen keine Rechte für den Handelnden be—
gründen, gemeinsam sei, daß sie aber in der Ausbildung desselben nicht unerheblich
abwichen, so daß wichtige Bedenken nicht ausbleiben würden. Es dürfte daher die
Regelung der civilrechtlichen Folgen des eigenartigen W.deliktes in dem Gesetze
nicht unterbleiben. Im Reichstage wurde der Art. 3 des Entwurfes von nam-
haften Juristen (z. B. Dreyer) einfach für unannehmbar erklärt und eine neue
Kommission hauptsächlich deshalb ernannt, um eine sachgemäße Redaktion des frag-
lichen Artikels zu ermöglichen, denn eine Erörterung der einschlagenden schwierigen
Fragen sei im Plenum unthunlich. Die Kommissionsberathungen, über die nur
mündlich Bericht erstattet wurde, führten eine wesentliche Abänderung des Regie-
rungsentwurfes nicht herbei, ebensowenig die Plenarverhandlungen, in welchen be-
sonders die Stellung des gutgläubigen dritten Erwerbers der Forderung, die Ver-
zinfung des vom Gläubiger wirklich Geleisteten und die Dauer der Verjährung für
die Rückforderung des Schuldners erörtert wurde. Nur bezüglich des letzten Punktes
kam man zu einem positiven Resultate, indem der jetzige Abs. 3 dem sonst unver-
ändert angenommenen Kommissions= resp. Regierungsentwurfe hinzugefügt wurde. —
Verträge, welche gegen die Vorschriften der §§ 302 a und 302b verstoßen, sind un-
gültig. Korrekter hätte man wol gesagt „nichtig“, denn so sind Zweifel nicht aus-
geschlossen, ob die Ungültigkeit nicht als „Anfechtbarkeit“ oder als die von Einigen
sogenannte „relative Nichtigkeit“ aufzufassen sei. Ersteres wäre, wenigstens nach
Ansicht der Motive, welche wiederholt die Ungültigkeit als kraft Gesetzes eintretend
bezeichnen, unrichtig, und man wird dem um so eher beitreten können als das
Gesetz keinen Anhalt für eine anderweitige Auslegung bietet. Eine Nichtigkeit aber,
die nur für die Kontrahenten und nicht auch Dritten gegenüber bestände, ist ein
Widerspruch in sich und daß der Gesetzgeber einen solchen gewollt habe, kann man,
wie v. Kübel (§ 162) hervorhebt, auf Grund eines unklaren Ausdrucks doch nicht
annehmen. Natürlich bezieht sich die Nichtigkeit nur auf die wucherliche Forderung
und nicht auf Geschäfte, welche derselben vorausgingen, so daß z. B. die ursprüng-
liche Forderung rechtsbeständig bleibt, wenn das W. geschäft erst bei der Stundung
beginnt. Bezüglich der Kontrahenten liegt also die Sache so, daß beide Theile nicht
zu leisten brauchen und das etwa schon Geleistete zurückfordern können, wobei der
Wucherer für die von dem Schuldner oder für denselben geleisteten Vermögensvortheile
vom Tage des Empfanges an die gesetzlichen Zinsen vergüten muß, während dem
Schuldner bezüglich des vom Gläubiger Erhaltenen eine solche Verpflichtung nicht
obliegt. Es ist das eine Unbilligkeit gegen den Wucherer, der freilich, wie der Kom-
missar des Bundesrathes v. Schelling im Reichstage meinte: auf Billigkeits-
rücksichten keine Ansprüche hat (1), eine Art von Privatstrafe, die neben den ver-
hängten kriminellen zum mindesten überflüssig erscheint. Es ist allerdings durchaus
richtig, das Wuchergeschäft ganz und nicht nur soweit, als übermäßige Vortheile
ausbedungen waren, für nichtig zu erklären (anderer Meinung: v. Schwarze,
S. 31), einmal weil das Gesetz Niemanden verpflichten kann, ein Geschäft unter
anderen als den von ihm gewollten Bedingungen aufrecht zu erhalten, dann auch
weil dem Richter Unmögliches zugemuthet würde, wenn er jedesmal das iustum
pretium für ein Darlehn bestimmen sollte. Darum brauchte aber die Verpflichtung,
Zinsen, etwa die sonst gesetzmäßigen, für wirklich Genossenes zu gewähren, durchaus
nicht beseitigt zu werden. Jedenfalls ist der Schuldner zur Zahlung von Verzugs-
zinsen anzuhalten, wenn er das Empfangene nicht rechtzeitig zurückzahlt. Die Zu-
rückzahlung aber kann der Gläubiger ohne Rücksicht auf etwa stipulirte Befristung
verlangen, sobald das betreffende Geschäft, sei es vom Civil= oder vom Kriminal-
richter für wucherlich erklärt wurde, also seine Nichtigkeit feststeht. Für diesen An-
spruch des Gläubigers haftet die vertragsmäßig bestellte Sicherheit. g6 ist dies eine