Wucher. 1365
erworbene Forderung veräußert oder geltend macht, bleibt straffrei; b) wer dagegen
nach diesem Termine eine W forderung erwirbt und sie veräußert oder geltend macht,
wird bestraft, auch wenn dieselbe früher entstanden war. Nach dem Wortlaut des
§ 302c ist das Erwerben u. f. w. ein besonderes Vergehen, es kommt also nur
darauf an, daß die betreffende Forderung im Moment des Erwerbens als wucher-
# angesehen werden muß, nicht darauf, ob der frühere Inhaber derselben wegen
W. bestraft werden kann. Anderer Meinung ist allerdings die Reichstagskommission
gewesen, welche den Paragraphen ursprünglich vorschlug. Ihr Bericht sagte: „Die
Rechtsbeständigkeit der Forderung kann nur nach dem Zeitpunkt ihrer Entstehung
beurtheilt werden. Dieser Satz leidet auch auf die Fälle Anwendung, in denen eine
vor dem Inkrafttreten des Gesetzes entstandene Forderung, welche die in § 302 a be-
zeichneten Merkmale an sich trägt, nach dem Inkrafttreten des Gesetzes von einem
Dritten erworben wird und dem Letzten die Verhältnisse und Umstände, unter denen
sie zu Stande gekommen, zur Zeit der Erwerbung völlig bekannt sind. Der Dritte
würde daher hier befugt sein, die Forderung ihrem ganzen Inhalte nach geltend zu
machen, ohne den Bestimmungen des vorgeschlagenen Gesetzes zu verfallen“ (vgl. v.
Schwarze, S. 34). Wenn auch der erste Satz dieser Ausführung unzweifelhaft
richtig ist, so braucht man doch den daraus gezogenen Folgerungen nicht zuzustim-
men, sobald der Ausdruck des Gesetzes selbst eine andere Auffassung nothwendig
macht. — In Ansehung des Art. 3 sind ebenfalls die allgemeinen Grundsätze über
die rückwirkende Kraft der Gesetze entscheidend (vgl. v. Schwarze, S. 29 ff., 103).
Es ist nun sowol in der Gesetzgebung wie in der Missenschaft allgemein anerkannt
(vgl. Roth, System des Deutschen Privatrechts, I. § 50, S. 273), daß Gesetze
rückwirkende Kraft nur dann haben, wenn sie sich dieselbe beilegen, sei es ausdrück-
lich, sei es stillschweigend als nothwendige Konsequenz ihres sonstigen Inhaltes. In
dem Gesetz, betreffend den W., findet sich eine ausdrückliche Bestimmung nicht; daß
dieselbe stillschweigend gegeben sei, würde man nur auf Grund zwingender Anzeichen
voraussetzen dürfen und solche fehlen gleichfalls. Am wenigsten kann man sich darauf
berufen, daß das Gesetz die schon immer bestehende turpitudo des W. nur aner-
kannt habe. Wie v. Schwarze (S. 39) richtig hervorhebt, wäre es ein offenbarer
Widerspruch, das Verhalten eines Gläubigers als contra bonos mores verstoßend zu
behandeln, so lange sich derselbe nur einer ihm durch ein Gesetz ausdrücklich ein-
geräumten Freiheit bedient.
Lit. historisch: Rein, Das Kriminalecht der Römer 2c., 1844, S. 830 ff. (Vgl. dort
Angaben über die ältere Literatur.) — hering Gast d RNömis en Rechts (an berscht-
denen Stellen, z. B. II. S. 75, 152, 2 257; III. S. 112). — Margquardt, Römische
Staatsverwaltung, 1876, II. S. 51 ff. — Sde o Die nationalökonomischen Grund-
sätze der kanonischen Lehre, 1863; Derselbe, Die Bedeutung der W.lehre, 1866. — Max
Neumann, Geschichte des W. in Deutschland bis zur Begründung der heutigen Zinsengesetze
4654/ 1863. — Stobbe, Die Juden in Deutschland während des Mittelalters, 1866, bes.
103 ff., 232 ff. — Münch en, Das kanonische Gerichtsverfahren eund Strafrecht, 1866.
* II. S. 505 ff. — Katz, Grundriß des kanonischen Strafrechts, S. 136 ff. — Funk,
Geschichte des kirchlichen Zinzverbotes (Tübinger Universitätsschrift), 1876. — Laspeyres,
Geschichte der volkswirthschaftlichen Anschauungen der Niederländer und ihrer Literatur zur
Zeit der Republik, 1863, S. 256 ff. — Scha anz: Englische Handelspolitik gegen Ende des
Mittelalters, 1881, Bd. I. S. 541—564. — Roscher, Geschichte der Nationalökonomik in
Deutschland (an berschiedenen Stellen). — Heimbach in Weiske's Rechtslex. Bd. XV.
S. 354 ff., vgl. 389 ff. — RNancoblon in Herzog's Realencyklopädie für rotestantische
Theologie u. Kirche Bd. XVIII. S. 268 ff. — Knies, Der Kredit, Bd. I. 1876, S. 328 ff.
Aeltere Lit.: Luther, Großer und kleiner Sermon vom W., 1519 (Erlanger Aus-
abe Bd. 20 S. 89 ff., 122 ff), von Kaufhandlung und W. 1524 (Bd. 22 S. 199 ff.), an die
Parrherrn wider den W. zu predigen, 1540 (Bd. 23 S. 282 ff.). — Besold, Quaestiones
aliquot de usuris, 1598, abgedruckt in Vitae et mortis Consideratio politica, 1623 Iib. I.
cap. V. — Salmasius, De usuris liber, Lugd. Batav. 1638, de modo usurarum liber,
639, Diatriba de mutuo non esse alienationem auctore Alexio à Massala (pfseudonym für
Salmasius). 1640.
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