Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

Zeitberechnung. 1375 
I. Das Römische Recht statuirt: A. als entscheidend den Kalendarischen Zeit- 
abschnitt des von Mitternacht zu Mitternacht reichenden Tages. Der Kalendertag 
heißt daher dies civilis oder der Tag im Sinne des Rechtes, insbesondere des 
Privatrechtes, im Gegensatze zum naturalis dies oder zur Zeit vom Sonnen- 
aufgang zum Sonnenuntergang. Zum natürlichen Tage verhält sich der bürgerliche 
als künstliche Erweiterung desselben durch Annexion der angrenzenden Nachthälften, 
weshalb sein Anfang und Ende von dem des natürlichen Tages verschieden, sein 
Mittelpunkt dagegen (meridies) mit dem des bürgerlichen Tages identisch ist (Censor. 
de die nat. 23, 11; Gell. n. a. III. 2; 1. 8 D. fer. 2, 12). Wenn die Neueren 
dem Kalendertage den beweglichen Tag entgegensetzen, d. h. unter einem Tage auch 
einen zu beliebiger Tageszeit beginnenden Zeitabschnitt von der Länge eines Tages 
verstehen, so ist diese Auffassung dem Sprachgebrauche des Röm. Rechtes vollständig 
fremd. Daß daher ein Rechnen nach Tagen irgend etwas anderes bedeuten könnte 
als ein Rechnen nach Kalendertagen, ja daß ein wirklich genaues Rechnen nach 
Tagen nur dasjenige sei, welches den Tag als einen zu beliebiger Tageszeit beginnenden 
Zeitraum von der Länge eines Tages behandle, dieses Axiom der meisten Neueren ist 
der Römischen Anschauung ebenso zuwider, wie die Bezeichnung dieser Berechnungs- 
weise als der naturalis im Gegensatze zur civilis computatio, welche auf die 
Zeitberechnung in einem gänzlich unrömischen Sinne die Römische Entgegensetzung 
eines naturalen und eines civilen Begriffes des wichtigsten Zeitabschnittes überträgt. 
Nach Tagen rechnet nur das Röm. Recht in dem doppelten Sinne, daß es 
Zeitunterschiede innerhalb des Tages nicht berücksichtigt (I. 16 § S D. de pign. 20, 1) 
und unter Jahren und Monaten nicht wirkliche Kalenderjahre und Kalendermonate, 
sondern Summen von Tagen versteht. Daß im Röm. Rechte die Bezeichnung des 
Jahres und des Monats lediglich eine Kollektivbezeichnung für eine bestimmte Zahl 
von Tagen ist, stellt diese Bezeichnungen in den schärfsten Gegensatz zu der des 
Tages; denn mensis und annus bedeutet in der Sprache der eivilis computatio 
immer eine bestimmte mit einem beliebigen Tage beginnende Summe von Tagen, 
dies dagegen bezeichnet nie eine bestimmte zu einer beliebigen Stunde beginnende 
Summe von Stunden, wie ja auch nach Römischer Sitte gar nicht der Kalendertag, 
sondern der natürliche Tag und die Nacht in Stunden zerfällt, so daß für die 
Stundenzählung die Grenze des Kalendertages gar nicht existirt und die Länge der 
Tages= und der Nachtstunden mit der Jahreszeit wechselt. Es ist aber a) die 
Jahresbezeichnung gemeint als Bezeichnung einer Summe von 365 Tagen (I. 134 
D. de v. s. 50, 16). Mit der wirklichen, im Schaltjahre diese Zahl von Jahren 
überschreitenden Jahresdauer ist dies dadurch in Uebereinstimmung gebracht, daß der 
Schalttag (dies intercalarig) nicht als eigener Tag gezählt wird. Wie nämlich 
im Römischen Kalender der Schalttag keine eigene Zahlbezeichnung hat, sondern als 
bisextum Kalendas Martias dem 24. Februar (a. d. VI. Kal. Mart.) an- 
gehängt ist, so wird er rechtlich mit diesem durch die Einschaltung verdoppelten 
Tage identifizirt. Bestritten ist aber, ob die Einschaltung erfolge vor oder hinter 
dem 24. Februar des Gemeinjahrs; doch ist die letztere Annahme aufs Bestimmteste 
bezeugt in 1. 3 § 3 D. de min. 4, 4 mit den Worten: posterior dies inter- 
calatur. Daß mit Rücksicht auf die Römische Art von den Kalenden des nächsten 
Monats rückwärts zu rechnen, unter dem posterior dies der frühere, unter dem prior 
dies der spätere zu verstehen sei, ist eine durchaus unzutreffende Behauptung; wird 
doch der den Kalenden vorhergehende Tag als pridie Kalendas und damit im 
Verhältniß zu den Kalenden als prior dies bezeichnet. 
b) Die Monatsbezeichnung eignet sich wegen der wechselnden Länge der einzelnen 
Monate nicht zur genauen Bezeichnung einer bestimmten Zahl von Tagen. Während 
daher Jahresfristen schon in den zwölf Tafeln vorkommen, kennt die ältere Gesetzgebung 
Fristen von der Dauer eines Monats nur in der Weise, daß sie die Zeit eines 
Monates auf die bestimmte Zahl von 30 Tagen reduzirt. Als dann bei abnehmender
	        
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