Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1376 Zeitberechnung. 
Genauigkeit der Gesetzessprache die Anordnung von Monatsfristen aufkam, war es 
Sache der Interpretation, die nicht mehr vom Gesetze selbst vollzogene Reduktion des 
Monats auf eine bestimmte Zahl von Tagen vorzunehmen. Die Zahl von 30 Tagen 
ergab sich hierbei aus der von Alters her üblichen Anordnung dreißigtägiger Fristen 
in Verbindung mit dem Umstande, daß sie sowol eine runde Zahl als auch diejenige 
Zahl von gangen Tagen ist, welche der durchschnittlichen Länge der Monate am nächsten 
kommt (1. 12 § 6 verglichen mit 1. 30 § 5 D. ad leg. Jul. de adult. 48, 5). 
Immer ist jedoch die Monatsbezeichnung eine ungenaue Bezeichnung einer bestimmten 
Zahl von Tagen, welche nur im Zweifel in der angegebenen Weise zu verstehen ist; 
ergiebt die einzelne Bestimmung hinreichende Anhaltspunkte für eine andere Auf- 
fassung, so ist diese vorzuziehen. So scheint es in dem uns nicht überlieferten Falle 
der 1. 101 de R. Jur. 50, 17 dem Sinne der fraglichen Bestimmung entsprochen 
zu haben, die in ihr genannten 2 Monate als 61 Tage zu verstehen. 
B. Das Rechnen nach Tagen ist ein Rechnen von einem bestimmten Kalender- 
tage zu einem bestimmten Kalendertage. Sollen die Tage gezählt werden von einem 
bestimmten Ereignisse an, so ist nothwendig der Tag dieses Ereignisses derjenige, von 
dem an gezählt wird. Fraglich erscheint aber, in welchem Sinne von ihm die 
Zählung auszugehen hat, ob nämlich die erforderliche Zahl von Tagen zu ihm hinzu- 
zuzählen oder ob er selbst schon als der erste dieser Tage zu zählen ist. Ebenso 
erhebt sich sodann für den letzten oder denjenigen Tag, mit welchem die erforderliche 
Zahl voll wird, die Frage, ob sein Anfang oder erst sein Ablauf entscheidet. Nach 
Röm. Recht wird nun derjenige Tag, von welchem die Zählung ausgeht, stets 
mit gezählt, während derjenige Tag, welcher dadurch als der letzte sich er- 
giebt, in gewissen Fällen abgelaufen, in anderen nur angebrochen sein muß. Jede 
Bestimmung einer Frist nach Tagen hat hier die Bedeutung, daß Anfang und Ende 
der Frist innerhalb der bestimmten Zahl von Tagen liegen, so daß der Anfang in 
den ersten, das Ende auf den letzten Tag fällt. Jene Einrechnung des Anfangstages 
sowol, als die verschiedene Behandlung des letzten Tages nach Verschiedenheit der 
Fälle beruht darauf, daß jede Fristbestimmung aufgefaßt wird als Bestimmung eines 
Termines; die Bestimmung einer Frist von 1 Tagen ist nach Röm. Recht nichts 
anderes, als die Bestimmung des xten Tages, als des für eine rechtliche Ver- 
änderung entscheidenden Termines. Die Fixirung des hiernach entscheidenden Zeit- 
punktes ergiebt sich a) durch die Röm. Sitte bei der Bestimmung des Verhältnisses 
zwischen zwei Gliedern einer Reihe nicht nur die Mittelglieder zu zählen, sondern die 
Endpunkte mitzuzählen. So ist nach Römischer Zählung der 10. Januar, vom ersten 
an gerechnet, nicht erst der neunte, sondern schon der zehnte Tag, d. h. der Römische 
Sprachgebrauch erblickt in ihm nicht sowol den neunten der an den ersten sich an- 
reihenden, als den zehnten der mit ihm eine Reihe bildenden Tage (I. 1 88§ 5, 6 
D. dq. appell. 49, 4). 
b) Ist der entscheidende Termin der letzte Tag der mit dem Anfangstage 
beginnenden Reihe, so ist er entweder der Anfangstermin oder der Endtermin 
einer rechtlichen Wirkung, indem eine solche entweder mit ihm eintreten oder mit 
ihm erlöschen soll; im ersten Falle ist der Zeitpunkt ihres Eintrittes der Anbruch, 
im letzten der Zeitpunkt ihres Erlöschens der Ablauf des entscheidenden Tages. Soll 
etwas bis zu einem bestimmten Tage dauern oder von einem bestimmten Tage an 
eintreten, so pflegen wir zu fragen, ob diese Bestimmung zu verstehen sei ausschließlich 
oder einschließlich des entscheidenden Tages. Indem aber der Römische Sprach- 
gebrauch jede solche Bestimmung unter Einschluß des entscheidenden Tages versteht, 
existirt dasjenige Verhältniß, welches bis zu einem bestimmten Tage dauern soll, 
gerade noch an diesem Tage als dem letzten seines Bestehens; ebenso existirt aber 
dasjenige Verhältniß, welches von einem bestimmten Tage an bestehen soll, schon 
an diesem Tage, als dem Tage seiner Entstehung (I. 49 D. de cond. 35, 1).
	        
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