Zeitberechnung. 1377
Ist ein Termin zugleich Anfangs- und Endtermin, indem sowol der Eintritt
als das Aufhören rechtlicher Wirkungen mit ihm verbunden ist, so entscheidet die-
jenige Bedeutung desselben, welche als die prinzipale erscheint. Dies findet ins-
besondere Anwendung:
1) Auf Verjährungsfristen. a) Der Tag, an welchem eine Forderung verjährt,
ist ein reiner Endtermin für deren Existenz; die Forderung erlischt daher erst durch
seinen Ablauf (I. 6 D. de obl. et act. 44, 7).
b) Durch Ersitzung entsteht und erlischt gleichzeitig Eigenthum, jedoch so, daß
das bisher bestandene Eigenthum verdrängt wird durch das neu entstehende des
Usukapienten; der Wechsel des Eigenthums erfolgt daher mit dem Anbruche des
letzten Tages (I. 15 pr. D. de div. temp. praescr. 44, 3). Richtiger Ansicht nach
besagen dasselbe 1. 6 und 7 D. de usurp. et usucap. 41, 3.
c) Indem die Verjährung dinglicher Klagen bedingt ist nicht nur durch die
Unterlassung ihrer Anstellung seitens der Berechtigten, sondern durch den ununter-
brochenen Besitz einer zusammenhängenden Kette von Rechtsnachfolgern, beruht die
Unmöglichkeit fernerer Klage auf dem wegen seiner Dauer dem Besitze zu Theil
werdenden Schutze, tritt daher schon ein mit dem Anbruch des letzten Tages.
2) In Beziehung auf Alterstermine erscheint a) die beginnende pubertas als
Anfangstermin der vollen Handlungsfähigkeit; daß mit ihr zugleich die tutela impu-
berum erlischt, ist lediglich eine Konsequenz ihrer prinzipalen Bedeutung (I. 5 D.
dui test. fac. 28, 1).
b) Der Ablauf der minor aetas ist nach Röm. Rechte Endtermin der in integrum
restitutio und cura minorum, weshalb in 1. 3 § 3 D. de min. als selbstverständlich
vorausgesetzt wird, daß die minor aetas nicht vor dem Ablaufe des letzten Tages des
fünfundzwanzigsten Lebensjahres erlischt.
3) Von selbst versteht sich das Erforderniß des Ablaufes des letzten Tages
a) für alle Präklusivfristen, welche stets erfordern, daß eine Handlung spätestens
an einem bestimmten Tage erfolge (I. 1 § 9 de succ. ed. 38, 9).
b) Ist ausdrücklich nicht die Erreichung, sondern die Ueberschreitung eines Ter-
mines verlangt, so bedarf es natürlich dieser (I. 3 D. de iur. immun. 50, 6).
Hierher gehört auch der Fall einer erforderlichen Altersdifferenz, welche nur gewahrt
ist, wenn die Geburt der fraglichen Personen nicht innerhalb der bestimmten Zahl.
von Tagen erfolgt ist.
C. Eine ausnahmsweise Erweiterung der nach obiger Berechnung sich ergebenden
Länge rechtlicher Fristen statuirt das Röm. Recht
1) für einen Fall durch Berücksichtigung der Tageszeit, indem die in integrum
restitutio minorum noch zugelassen wird wegen der am Geburtstage vor der Tages-
zeit, zu welcher vor 25 Jahren die Geburt erfolgt war, eingetretenen Schädigung
(I. 3 § 3 D. de minoribus 4, 4).
2) Bei einer Reihe von Präklusivfristen werden diejenigen Tage nicht mit-
gezählt, an welchen wegen eines vorübergehenden Hindernisses die Vornahme der
Handlung nicht möglich war. Indem hier nur die dies utiles mit gezählt werden,
ist die so berechnete Frist ein utile im Gegensatze zum continuum tempus.
Utiliter berechnet werden solche Fristen, welche von Rechtswegen laufen für Hand-
lungen in iure und nicht über ein Jahr betragen (I. 2 pr. D. quis ordo 38, 5).
Justinian hat eine Reihe solcher Fristen erweitert und in tempora continua ver-
wandelt (1. 8 C. de dolo 2, 20; 1. 7 C. de temp. i. i. r. 2, 52).
II. Keine Uebereinstimmung herrscht darüber, inwieweit die geschilderten vielfach
selbst bestrittenen Grundsätze des Röm. Rechts in unser Recht übergegangen sind.
1) Bezüglich der Reduktion der Jahres= und Monatsbezeichnung auf Tage ist
bestritten: a) welcher Tag des Schaltjahres nach heutigem Recht nicht mitzuzählen ist.
Der heutige Kalender rückt den im Gemeinjahre auf den 24. Februar fallenden
Matthiastag im Schaltjahre auf den 25., behandelt also als Schalttag den diesem
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon III. 3. Aufl. 87