1384 Zeugenbeweis.
h. t.), deswegen nicht aufhören Zeugen zu sein (vgl. Gesterding, II. 422; IV. 2
S. 114; Hannov. Prot., 2150; daher testi injurato non creditur); — oder wenn
man aus den Worten der 1. 9 8 1 C. h. t.: ut unius testimonium nemo jadicum
facile patiatur admitti, und wieder: ut unius omnino testis responsio non audiatur
die Folgerung zog: unus testis, nullus testis; vor unius, vox nullius, während
freilich die gemeine Meinung dem entgegenhielt: unus testis proficit, non suffeit;
und Manche unter Umständen sogar einen einzigen Zeugen als vollbeweisend be-
trachteten (vgl. über den testis unicus und die testes singulares: Gesterding, I.
S. 177, S. 180; II. 421 ff.). — Derjenige Begriffsbestandtheil aber, welcher der
Sitz der meisten Kontroversen im Gemeinen Prozeß gewesen ist, war das Unbethei-
ligtsein des Zeugen am Prozeß. In Wahrheit lediglich ein Moment der Glaub-
würdigkeit des Zeugen, ward es auf Grund der 1. 10 D. h. t. u. der 1. 10 C. eod.
zu einem Begriffserforderniß gemacht, hinsichtlich dessen Bedeutung jedoch eine Eini-
gung nie erzielt werden konnte. Während die Einen (z. B. Wetzell, § 23 sub
I. 2) Jeden für unfähig hielten, der ein unmittelbares oder mittelbares Interesse
am Ausgang des Prozesses habe, wollten Andere (vgl. Renaud, § 110 N. 34
und 35) lediglich ein unmittelbares Interesse als Ausschließungsgrund gelten
lassen. Wann das Interesse ein unmittelbares, wann ein mittelbares sei, war eben
so bestritten, als die Frage, ob es ein pekuniäres sein müsse, oder auch ein ander-
weites genüge. Verzweifelnd an der Durchführbarkeit des Requisits beseitigten es
fre vera schon die Alten durch die Statuirung der Ausnahme: ubi veritas aliter
haberi non potest (Hannov. Prot., 2160; Renaud, § 110 N. 86). Bayer
endlich, welcher in § 246 sub II. 1 richtig jedes Interesse des Zeugen als bloßen
Verdachtsgrund erklärt, konzedirt der Gemeinen Meinung in § 247 doch dies, daß
der Richter einem solchen Zeugen „gar keinen Glauben beimessen darf“.
II. Die Rückkehr zum System der freien richterlichen Beweiswürdigung in den
neuen Prozeßgesetzen und -Gesetzentwürfen mußte vor Allem auch auf den Begriff
des Zeugen reinigend einwirken. Dies System, gesetzliche Regeln über die Zulässig-
keit wie über die Beweiskraft der Beweismittel gleichmäßig verbannend (mit Unrecht
suchte man erstere von ihm gerade bei Erörterung des Zeugenbegriffes zu emanzi-
piren: Hannov. Prot., 2155, 2163), mußte zur Ausstoßung all' dessen aus dem
Zeugenbegriff führen, was nicht die Eigenschaft des Zeugen auf die freie richterliche
Ueberzeugung einzuwirken, alterirt.
1) Nicht in den Begriff des Zeugen gehört nach den neueren Rechten das im
Uebrigen festgehaltene Requisit der Beeidigung (s. unten sub V.). Es enthält lediglich
„eine formelle Garantie für die Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen“, welche
man in Abweichung vom Prinzip der freien richterlichen Beweiswürdigung den Par-
teien zu schulden glaubte (Mot. z. Deutschen Entw. 88 345—349, S. 495).
Daher denn nicht nur die Parteien jederzeit auf die Beeidigung des Zeugen ver-
zichten können (Deutsche CPO. § 356 Abs. 2; Oesterr. Entw. § 385), sondern wo
höhere Interessen es gebieten, das Gesetz selbst dem Richter die unbeeidigte Verneh-
mung vorschreibt (Deutsche CPO. § 358; Oesterr. Entw. § 385), ohne daß in
beiden Fällen der Vernommene deswegen aufhörte Zeuge zu sein.
2) Nicht einmal als Garantie der Glaubwürdigkeit festgehalten ist in den
neueren Gesetzen das, im Gemeinen Prozeß auf das Kanonische Recht und von
diesem auf die Bibel gestützte, Erforderniß der übereinstimmenden Aussage von min-
destens zwei Zeugen. Der Möglichkeit, daß der Richter auch durch die Aussage nur
eines Zeugen überzeugt werden könnte, ist freies Feld gelassen und damit der oben
schon berührten gemeinrechtlichen Streitfrage, unter welchen Umständen die Aussage
eines einzigen Zeugen Beweis erbringen könne, der Boden entzogen.
3) Wohl wurde noch im Schoße der Hannoverschen Kommission darüber ge-
stritten, ob das eigene Interesse an der Sache den Begriff des Zeugen ausschließe,
oder nur seine Glaubwürdigleit angehe (Prot., S. 2155). Allein die letztere An-