Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1390 Zeugenbeweis. 
und der Grundsatz der Mündlichkeit andererseits (Hannov. Prot., 2208 ff., 2215 ff.). 
Die §§ 146 3. 3, 147 der Deutschen CPO. haben diese Schwierigkeit im Anschluß 
an den Hannov. Entw. 5 345 dadurch möglichst zu verringern versucht, daß sie bei 
inappellablen Sachen die Protokollirung der Aussagen für ganz überflüssig erklären, 
sonst aber, richtig verstanden, dieselben nicht wörtlich, sondern nur ihrem Haupt- 
inhalte nach firxirt wissen wollen. b) Die Ausbildung des geheimen Verfahrens im 
Allgemeinen, Mißverständniß der I. 14 C. h. t., der „vanus metus subornationis", 
und „die sonderbare Analogie des Beichtvaters, der mit dem Beichtkind allein sei", 
im Besonderen brachten es mit sich, daß der Gemeine Prozeß, im Gegensatz zum 
Römischen und Altdeutschen Recht (Mittermaier, S. 69 ff.; Gesterding, I. 
S. 211 ff.), den Parteien die Gegenwart bei der Zeugenvernehmung selbst wehrte, 
und ihnen nur gestattete, der Beeidigung der Zeugen beizuwohnen; das Zeugen- 
verhör war „heimlich“, die Parteien wurden geladen nur ad videndum et audien- 
dum jurare testes. Dem entgegen ist, wie es schon Mittermaier, S. 202 ff. 
warm befürwortete, im Interesse der Wahrheit von allen neueren Gesetzen und Ent- 
würfen den Parteien gestattet, nicht nur dem Verhör der Zeugen beizuwohnen (val. 
die zahlreichen Nachweise aus Deutschen Partikulargesetzen bei Renaud, §215 N. 17, und 
außerdem Code proc. art. 261, 262, 269; Preuß. Entw. § 409; Hannov. Entw. § 288; 
Nordd. Entw. § 478; Deutsche CPO. § 322; Oesterr. Entw. § 321), sondern 
auch entweder durch den Richter (Code proc. art. 273; Hannov. Entw. § 344; 
vgl. Prot. S. 2234) oder mit Erlaubniß des Richters unmittelbar (Preuß. 
Entw. § 473; Nordd. Entw. § 528; Deutsche CPO. § 362; Oesterr. Entw. 
§ 389) an den Zeugen Fragen zu richten, um Unklarheiten oder verkehrte Auffas- 
sungen in seinen Aussagen zu beseitigen, oder Widersprüche und Unwahrscheinlichkeiten 
in denselben aufzudecken. c) Die Vernehmung selbst, welche das Altrömische (Mit- 
termaier, S. 70 N. 2; Gesterding, I. S. 211) wie heute noch das Englische 
und Nordamerikanische Verfahren in die Hände der Parteien legt (sog. Kreuzverhör), 
geschieht im Gemeinen und heutigen Deutschen Prozeß durch den Richter. Freilich 
im Gem. Prz. lediglich als Mund der Parteien, indem er die Zeugen „ uff 
alle Artikul und interrogatoria der Ordnung nach abhört“ (J. R. A. § 52; f. 
aber auch Mittermaier, S. 183), nach neuerem Prz. R. aber durchaus selbst- 
ständig kraft des richterlichen Prozeßleitungsamtes. — Die Zeugenaussagen erfolgen 
unter Eid; vgl. über dessen Inhalt und Form sowie über die Frage, ob promisso- 
rischer oder assertorischer Eid: d. Art. Beweisverfahren ZRd. I. S. 382 
und Eidesformel Bd. I. S. 613. — Jeder Zeuge ward von jeher (Mitter- 
maier, S. 74) und wird (Code proc. art. 262; Deutsche CPO. § 359 und 
Motive zu §§ 345—349, S. 495; Oesterreichischer Entw. § 387) „einzeln und 
in Abwesenheit der später abzuhörenden Zeugen“ vernommen. Und zwar beginnt 
die Vernehmung mit den Fragen über die perfsönlichen Verhältnisse des Zeugen be- 
hufs Gewinnung eines allgemeinen persönlichen Eindrucks: § 360 der Deutschen 
CPO.; § 388 des Oesterr. Entw.; Fragen, die übrigens auch schon vor der Be- 
eidigung gestellt werden können, um Zweifel über Identität oder Eidesfähigkeit zu 
beseitigen (Preuß. Entw. § 470; Hannov. Entw. § 340 und dazu Prot. S. 2199, 
5698; Nordd. Entw. § 520; Oesterr. Entw. § 386 Abs. 3; Mot. zum Deutschen 
Entw. § 344, S. 494). Zur Sache selbst hat Zeuge seit Abschaffung der 
Artikel und Fragestücke (s. oben sub 1) seine Wissenschaft zunächst im Zusammen- 
hang zu deponiren (Deutsche CPO. § 361 Abs. 1; Oesterr. Entw. § 388 Abs. 2); 
und zwar rein mündlich, auch ohne Benützung etwa eines schriftlichen Entwurfes 
(Code proc. art. 271; Mot. zur Deutschen CPO. S. 495), soweit nicht die 
Bestimmung des § 188 des Deutschen GVG. über die „Verhandlung mit tauben 
oder stummen Personen“ eine Ausnahme mit sich bringt. Zur Aufklärung und zur 
Vervollständigung der Aussage sowie zur Erforschung des Grundes der MWissenschaft 
des Zeugen („der Seele des Zeugnisses“) können dann Richter und, wie oben er-
	        
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