Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

Zeugenbeweis. 1393 
bezeichnet. Auch Wahrnehmungen solcher Art, über welche es wünschenswerth und 
nothwendig ist, einen Befund von Sachverständigen zu erlangen, sind Gegenstand 
des Z. Das Gewicht, welches der Aussage des Zeugen, die oft durch nichts an- 
deres zu ersetzen ist, beigelegt werden muß, hängt dann von der im Beweisverfahren 
festzustellenden Fähigkeit desselben, Thatsachen dieser Art zu beobachten und das Be- 
obachtete zu schildern, ab; der sachverständige Zeuge hat darum doch nicht die 
Stellung des Sachverständigen, die Zulässigkeit und Pflichtmäßigkeit seiner Aus- 
sage illustrirt aber am besten den Umfang des Gegenstandes des Z. in dieser Hinsicht: 
Soweit das Wahrgenommene ohne Heranziehung der Beurtheilung nicht mitgetheilt 
werden kann (z. B. bei der Frage nach der Identität), ist auch die letztere Gegen- 
stand der Zeugenaussage. — Auch bezüglich des nach Englischem Recht streng aus- 
geschlossenen Zeugnisses vom Hörensagen (hearsay evidence) hat man sich nur vor 
der Verwechslung zwischen Bezeugung des Gehörten und des Hörens zu 
hüten; letztere ist nicht nur zulässig, sondern oft ganz unentbehrlich, zumal im 
Vorverfahren; bei der eigentlichen Beweisaufnahme wird es dann darauf ankommen, 
ob es möglich ist, das mittelbare Zeugniß durch ein unmittelbares zu ersetzen, und 
wo dies nicht möglich ist, den Werth des ersteren sorgfältig zu prüfen. 
Der Z. beruht durchaus auf der gerichtlichen Aussage unter der den Zeugen 
treffenden strafgerichtlichen Verantwortung; eben darum erschöpft er die 
Formen nicht, unter welchen Menschen der Entdeckung und Feststellung der Wahrheit 
im Strafprozeß dienstbar gemacht werden können. Es kann daher eine Person auch 
als Beweisgegenstand im Strafprozeß benutzt werden; der Umstand, daß fast 
immer mit dieser Benutzung die Vernehmung als Zeuge verbunden wird, und daß 
dadurch die Möglichkeit zur Anwendung der Bestimmungen über Zeugnißzwang einer- 
seits, Zeugengebühren andererseits auf solche Fälle geboten ist, ändert daran nichts, 
daß jene etwas vom Z. ganz Verschiedenes ist. (So würde z. B. Derjenige, der 
sich künstlich scheinbare Spuren von Verletzungen beibringt, um eine an ihm verübte 
strafbare Handlung glaubhaft zu machen, nicht wegen falschen Zeugnisses gestraft 
werden können.) Ebenso wie eine vom Beschuldigten verschiedene Person Gegenstand 
einer Besichtigung sein kann, kann sie auch als Gegenstand von Experimenten, 
von welchen man sich eine Aufklärung verspricht, behandelt werden, wie z. B. zu 
dem Versuch, ob ihr bestimmte Kleider passen, ob sie durch eine bestimmte Oeffnung 
hindurch gelangen kann, ob sie von einem Hunde erkannt wird u. dgl. Weiter- 
gehend schließen sich hieran jene bedenklichen Versuche, welche mit der Vernehmung 
von Personen gemacht werden, welche sich in einem abnormen, jede Verantwortung 
ausschließenden Zustande befinden (Wahnsfinnige, Taube, Schlafwandelnde, an- 
geblich im magnetischen Schlaf Befindliche u. dgl.). Das Gleiche gilt von Kindern, 
die noch so jung sind, daß bei ähnen irgend ein Gefühl moralischer Verantwort- 
lichkeit für ihre Aussagen nicht vorausgesetzt werden kann. In welchem Umfange 
und unter welchen Vorsichtsmaßregeln solche Experimente vor Gericht benutzt werden 
können, ist hier nicht zu erörtern; hier genügt es, zu betonen, daß die für den 3. 
geltenden Regeln auf dieselben nicht angewendet werden können, also namentlich nicht 
das Recht der Parteien, solche „Zeugen“ zu laden und deren Vernehmung kraft 
ihres Rechtes auf Zeugenladung zu begehren. 
II. Unter den Personen, deren Prozeßstellung verhindert, daß ihre 
Aussagen als Z. dienen, steht obenan der Beschuldigte. Diese Ausschließung 
vom Begriff des Zeugnisses kann nicht mit dem Satz begründet werden, daß niemand 
verpflichtet ist, gegen sich selbst auszusagen, einerseits weil sie auch dort festgehalten 
wurde, wo das Gegentheil der gedachten Regel galt, andererseits weil mit letzterer 
nicht gerechtfertigt werden könnte, daß der Beschuldigte nicht zu seinen eigenen 
Gunsten Zeugniß soll ablegen dürfen. Vielmehr ist es gerade der bereits auf dem 
Beschuldigten lastende Verdacht und seine hierdurch hervorgerufene höchst bedrohte 
Stellung, welche seinen Aussagen gegenüber einen so hohen Grad von Mißtrauen 
v. Holtzendorff, Enec. II. Rechtslexikon III. 3. Aufl. 88
	        
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