1410 Jeugenbewels.
so fehlen in letzterer: der Verlobte und die Schwiegereltern, umgekehrt im Deutschen
Gesetz: die Geschwisterkinder, Pflegeeltern und Pflegekinder, Vormund und Mündel.
Was nun die Verlobten betrifft, so bemerkt bereits v. Schwarze, es könne im
einzelnen Falle zweifelhaft sein, ob ein derartiges Verhältniß vorliegt; „jedenfalls
ist ein öffentliches Verlöbniß zu verstehen“. Thilo dagegen meint, es komme nur
auf das thatsächliche Eingehen auf ein solches Verhältniß an; Dalcke fordert die
Verabredung der Ehe mit Zustimmung derjenigen, deren Einwilligung erforderlich
war; Puchelt meint, es komme auf Stand, Ortssitte und Gebrauch an und schließ-
lich entscheide das richterliche Ermessen. Bomhard und Koller halten sich nur
an letzteres; ebenso Voitus, der den Richter „nach den obwaltenden Umständen
urtheilen“ läßt, und Löwe, der nur ein „thatsächlich bestehendes Verlöbniß, ein
rechtsverbindliches also keineswegs erfordert, ebensowenig ein öffentliches' Keller
hält mit Recht nur solche für „Ehegatten“, deren Ehe bürgerlich gültig ist; die
„kanonische Ehe“ genügt ihm nicht, aber auch nicht als Verlöbniß.
Das Gesetz verlangt ein Verhältniß von Angehörigkeit gegenüber dem Be-
schuldigten. Eine prozessualisch ausgeprägte Stellung ist nicht nothwendig, so
lange eine solche nicht durch das Prozeßstadium ohnehin bedingt ist; d. h. es genügt,
wenn das Vorbereitungsverfahren eine deutlich erkennbare Richtung gegen eine be-
stimmte Person genommen hat. Ist dies nicht der Fall, so kann die allgemeine
Versicherung des Zeugen, es liege der Befreiungsgrund vor, nicht genügen; der
Richter muß das Vorhandensein desselben prüfen können; und andererseits muß
dafür gesorgt sein, daß eine mit Unrecht vorgenommene Vernehmung, gleichviel ob
sich der Zeuge vergeblich widersetzte oder selbst nicht wußte, daß der Fall der
Zeugnißverweigerung vorliege, nicht gegen den Beschuldigten gebraucht werde (s. unten).
Handelt es sich um eine Mehrheit von Beschuldigten, so haben Mitbeschuldigte
für ihre Person, eben weil sie nicht als Zeugen, sondern als Beschuldigte vernommen.
werden, kein Recht, die Aussage aus diesem Grunde zu verweigern (vgal. oben II.).
Allerdings unterliegen sie eben darum auch nicht dem Zeugenzwang; es fragt sich aber,
ob ihre Aussage benutzt werden darf, ohne daß sie ausdrücklich über ein ihnen zu-
kommendes Recht der Weigerung belehrt sind und darauf verzichtet haben, und dies
ist aus dem angegebenen Grunde zu bejahen. Ueber den Umfang des Rechtes der
Angehörigen eines der Mitbeschuldigten, das Zeugniß zu verweigern, heißt
es in der Oesterr. StrasP O. (6 162, zweiter Absatz):; die vorgeladene Person kann
sich „des Zeugnisses hinsichtlich der anderen nur dann entschlagen, wenn eine Sonde-
rung der Aussagen, welche die letzteren betreffen, nicht möglich ist“. Mit denselben
Worten löst v. Schwarze diese Frage für das Deutsche Strafprozeßrecht, wo sie
das Gesetz nicht entscheidet. Der gleichen Ansicht sind Thilo, Puchelt und
Dalcke, der noch weiter geht. Dagegen erklären Löwe, Geyer und Voitus
das Recht für ein unbedingtes, es wäre denn, daß die Untersuchung mehrere selbst-
ständige Straffälle umfaßt. Allein die Möglichkeit, die Ungefährlichkeit der Aussage
für den Angehörigen des Mitbeschuldigten zweifellos zu erkennen, kann auch sonst
vorhanden sein; und umgekehrt kann das Gegentheil auch bei Verschiedenheit der
Straffälle eintreten; der Angehörige bleibt in derselben Verhandlung Mit-
beschuldigter und es ist möglich, daß dasjenige, was die Verurtheilung eines
seiner Genossen wegen einer anderen Sache fördert, auch auf ihn nachtheilig zurück-
wirkt. (Ist A eines Raubanfalles überführt, so wird man leichter an einen zweiten
Raubanfall desselben, an dem auch B betheiligt ist, glauben. Noch auffallender kann
das Verhältniß hervortreten, wenn zwei Personen gleichzeitig wegen gegenseitiger
Körperverletzungen angeklagt sind.)
Irgend einen Grund, warum nach dem Tode eines Mitbeschuldigten
dessen Angehörige das Zeugniß noch sollten verweigern können, vermag ich nicht zu
erkennen, wenigstens soweit nicht die Aufhebung eines gegen jenen ergangenen Urtheils
in Frage steht (vgl. v. Schwarze, S. 177 Nr. 11 und Puchelt, S. 128 Nr. 8).