Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1418 Zeugengebühren. 
ob der Zeuge in einem gerichtlichen oder in einem Administrativverfahren vernommen 
wird. Ein materieller Schaden entsteht dem zengen nicht blos dann, wenn er ge- 
nöthigt ist, eine Reise zu unternehmen, um an den Ort seiner Vernehmung zu ge- 
langen, sondern in jedem Falle auch dadurch, daß er während der Zeit, die er be- 
hufs Genügung der Zeugenpflicht aufwendet, seinem Beruse und Erwerbsgeschäfte 
entzogen wird. Es umfaßt daher die dem Staat obliegende Entschädigungsverbind- 
lichkeit einestheils die Erstattung der Auslagen für die nothwendig gewesene Reise 
und des durch den Aufenthalt außerhalb seines HOauses bedingten Aufwandes, andern- 
theils den Ersatz für den versäumten Erwerb. Beide Arten der Entschädigung fallen 
unter den Begriff der Zeugengebühren. Was die erstere betrifft, so behandelt sie der 
Art. Reisekosten der Zeugen und Sachverständigen. In Ansehung der 
anderen gehen die verschiedenen Gesetzgebungen mehr oder weniger weit auseinander. 
Die Preußische Verordnung vom 29. März 1844 unterschied, ob der Zeuge einen 
mehr als eine Viertelmeile langen Weg bis zum Orte seiner Vernehmung zurück- 
zulegen hatte oder nicht. Im ersteren Falle bewilligte sie Reisekosten, deren Höhe 
die Versäumnißkosten mit decken sollte, für den andern Fall stellte sie das Prinzip 
auf, daß dem Zeugen eine Vergütung überhaupt richt zustehe, er müßte denn den 
Nachweis führen, daß ihm durch die Versäumniß ein Schade in seinem Erwerbe ge— 
schehen sei. Nur für Personen niederen Standes wurde ein derartiger Schaden prä- 
sumirt und ihnen eine Versäumnißentschädigung auch ohne jenen Nachweis zugebilligt. 
Die Oesterreichische StrafPO. vom 23. Mai 1873 schreibt im § 383 vor, daß 
solchen Zeugen, welche von Tag= oder Wochenlohn leben und denen daher einé Ent- 
ziehung von ihrer Arbeit, wenn auch nur auf wenige Stunden, einen Entgang an 
ihrem Erwerbe bringen würde, auf ihr Verlangen ein Ersatz des entgangenen Er- 
werbes zu zahlen sei, anderen Zeugen aber, wenn sie nicht auf die durch eine Ent- 
fernung ihres Wohnorts von zwei Meilen (4 Stunden) bedingten Reisekosten Anspruch 
haben, eine Zeugengebühr überhaupt nicht zustehe. Das hierdurch zum Ausdruck ge- 
brachte Prinzip steht nicht im Einklang mit der im § 150 das. getroffenen Anordnung, 
daß Jeder, der vom Gericht als Zeuge vorgeladen wird, der Ladung Folge zu leisten 
verpflichtet ist. Anders die Deutsche Gesetzgebung. Sie erkennt zunächst im § 366 
der CPO. und im § 70 der Straf O. die Berechtigung des Zeugen auf Ent- 
schädigung für Zeitversäumniß neben der für eine etwa zurückgelegte Reise aus- 
drücklich an. Sodann bestimmt sie im § 2 der Gebührenordnung für Zeugen vom 
30. Juni 1878, daß jeder Zeuge einen Anspruch auf Entschädigung für Zeitversäumniß 
hat und regelt die Höhe derselben. Sie geht dabei von dem Grundsatz aus, daß 
mit jeder Zeitversäumniß präsumtiv auch eine Einbuße am Erwerbe verbunden sei, 
läßt deshalb, wenn nach dem Ermessen des Gerichts diese Präsumtion durch die 
Stellung und den Beruf des Zeugen beseitigt erscheint, einen Anspruch auf die Ent- 
schädigung nicht zu und macht andererseits eine Ausnahme zu Gunsten der Personen, 
welche durch gemeine Handarbeit, Handwerksarbeit oder geringen Gewerbebetrieb 
ihren Unterhalt suchen, indem sie ihnen den Anspruch zubilligt, selbst wenn eine 
Versäumung in dem Erwerbe nicht stattgefunden hat. Der im Oesterreich. Recht 
ziemlich eng gezogene Kreis der absolut berechtigten Personen ist sonach erheblich erweitert. 
Alle diese Vorschriften beziehen sich nur auf das gerichtliche, nicht auch auf das 
Administrativverfahren. Auch in diesem steht nach den Preußischen Gesetzen vom 
8. Februar 1819 und 23. Januar 1838 der Verwaltungsbehörde das Recht der 
summarischen Untersuchung, also auch der Zeugenvernehmung, zu. Daß auch hier 
dem Staat die Verpflichtung obliegt, den Zeugen wegen etwaiger durch Reisen und 
Zeitversäumniß gehabter Aufwendungen und Verluste zu entschädigen, wird zwar in 
jenen Gesetzen nicht vorgeschrieben (— der maßgebende Anhangs § 253 der Allg. Ger.O. 
schreibt zwar die Aufstellung einer Gebührenliquidation für das Verfahren vor, läßt 
sich jedoch nicht darüber aus, ob zu diesen Gebühren auch die Auslagen gehören —), 
folgt aber aus dem allgemeinen Grundsatze, daß kein Zeuge verbunden ist, behufs
	        
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