1420 Zeugnißzwang.
Zeugnißzwang. Unter 3. versteht man die Anwendung der gesetzlich
zulässigen Mittel gegen Personen, welche ihrer Zeugnißpflicht nicht genügen, d. h.
entweder auf gehörige Vorladung nicht erscheinen oder sich weigern auszusagen
oder ihre Aussage zu beeidigen. Sobald man eine Verpflichtung des Staats-
bürgers anerkennt, bei der Erforschung der Wahrheit durch den Richter sowol im
GEivil= wie im Kriminalverfahren mitzuwirken, kann es kaum einem Zweifel
unterliegen, daß die Verweigerung dieser Pflicht einen Ungehorsam gegen staat-
liche Normen enthält und darum mit Strafe bedroht werden kann. Da nun aber
die Auferlegung einer solchen Strafe in concreto nicht geeignet ist, die That-
sache zu beseitigen, daß der widerspenstige Zeuge seiner Pflicht nicht genügt hat,
und es gleichwol Fälle giebt, in denen die wirksame Handhabung der Justiz
möglicherweise von der Ablegung des verweigerten Zeugnisses abhängt, so lag es
nahe, Maßregeln anzuordnen, deren Anwendung dem Zeugen nicht zur Strafe dienen,
sondern ihn veranlassen soll, seine Pflicht zu erfüllen. Sehr häufig beschränkt man
sich nicht auf Strafe oder executio ad faciendum, sondern wendete beides neben-
einander kumulativ an. Abgesehen von dem älteren Inquisitionsprozesse, in welchem
auch Zeugen der Folter unterworfen werden konnten, bestehen die gebräuchlichen
Zwangsmittel im Civil= und Strafprozeß in Geldstrafen oder Haft, und nur darin
unterscheidet sich executio ad faciendum von Strafe, daß bei ersterer der Betrag,
resp. die Dauer des Zwangsmittels gesteigert werden konnte, bis der zu Zwingende
nachgab, bei letzterer von vorneherein ein Maximum gesetzlich festgestellt war. Die
richtige Erwägung, daß, wenn Mittel und Zweck nicht in schreiendes Mißverhältniß
gerathen sollten, auch der Zwang zur Ablegung eines Zeugnisses gewisse Grenzen
haben müsse, und daß es besser sei dieselben im Gesetze zu bestimmen, als diese
Aufgabe dem jedesmaligen Takte des Richters allein zu überlassen, näherte executio
ad faciendum und Strafe in ihrer äußeren Erscheinung noch mehr. Dennoch müssen
beide Begriffe auseinander gehalten werden, nicht nur in theoretischem Interesse,
sondern auch aus wesentlich praktischen Rücksichten. Nach dem allgemein anerkannten
Grundsatz ne bis in idem kann die Strafe für Zeugnißverweigerung, auch wenn das
zulässige Maximum nicht erreicht war, nicht wiederholt werden, bei Zwangsmaß-
regeln dagegen ist eine Wiederholung solange zulässig, als deren Gesammtbetrag das
gesetzlich zulässige Maximum noch nicht erreicht hat.
Die Prozeßordnungen für das Deutsche Reich (über die Bestimmungen der
früheren partikularen StrafP O. vgl. die Zusammenstellung in den Motiven zur
StrafP O., Hahn, III. 88§ 114 ff., auch Binding, S. 114 ff., und bezüglich des
Civ. Prz. die Motive zur CPO., Hahn, II. 310 ff., 313 ff.) drohen Strafen an
für das Unterlassungsdelikt des Nichterscheinens und der Zeugnißverweigerung, und ge-
statten daneben die Anwendung von Zwangsmaßregeln in bestimmtem Umfange
(vgl. 88 345, 355 der CPO.; 8§§ 50, 69 der StrafP O.).
I. Bezüglich der anzuwendenden Maßregeln muß unterschieden werden zwischen
dem Nichterscheinen und dem Verweigern des Zeugnisses.
1) Damit das Nichterscheinen strafbar sei, wird vorausgesetzt, daß der Zeuge
ordnungsmäßig geladen worden ist, die Ladung also den in §§ 342 und 343 der
CP O. und §§ 48 und 49 der Straf PO. ausgestellten Erfordernissen entspricht und
namentlich auch vorschriftsmäßig zugestellt worden ist (vgl. §§ 152 ff. der CPO.).
Der in derselben angegebene Ort des Erscheinens braucht nicht der des Gerichts zu
sein, vielmehr muß der Geladene überall erscheinen, wo es ihm die Ladung angibbt.
Diese Pflicht wird nicht dadurch aufgehoben, daß der Zeuge ein Recht hat sein
Zeugniß zu verweigern. Fraglich ist, ob auch der Zeuge als ausgeblieben zu be-
handeln ist, der sich ohne Erlaubniß von dem Orte der Vernehmung entfernt hat.
Zu unterscheiden ist dabei, ob der Zeuge schon vernommen worden war oder nicht.
Im ersteren Fall muß die Entfernung offenbar dem Nichterscheinen gleichgestellt
werden, da der Zeuge zur Zeit seiner Vernehmung nicht anwesend ist (val. auch