Zeugnißzwang. 1421
Struckmann und Koch, § 324 N. 1 und die dort Citirten). Bezüglich des letztern
Falles sind die Ansichten getheilt: Dochow, Reichs-Strafprozeß, S. 166; Thilo,
S. 151 N. 2; Puchelt, S. 122 N. 6; Löwe, S. 246 N. 5; Keller, S. 54 N. 5
bejahen; v. Schwarze, S. 173 N. 8; Voitus, Kontroversen, I. S. 28 ff.; Geyer,
Lehrb., S. 513 verneinen die Frage. Letzterer war früher (vgl. in v. Holtzendorff's
Handbuch, I. S. 271) anderer Ansicht. In dem Entwurfe zur Straf O. § 48 war uner-
laubtes Sichentfernen und Nichterscheinen neben einandergestellt, in der Reichsjustiz-
kommission wurde ersteres gestrichen, um Uebereinstimmung mit der CPO. her-
zustellen. Jetzt spricht das Gesetz von nichterschienenen Zeugen, und da man den-
jenigen, der sich nach geschehener Vernehmung unbefugter Weise entfernt hat, doch
kaum als nichterschienen bezeichnen kann, so wird man von seiner Bestrafung Abstand
nehmen müssen und § 50 der Straf O. nicht auf den Fall des § 247 anwenden
dürfen. — Ist der Zeuge nicht erschienen, so wird er: a) im Civilprozeß sowol wie
im Strafprozeß (§ 345 der CPO.; § 50 der Straf PO.) in die durch das Ausbleiben
verursachten Kosten, sowie zu einer Geldstrafe bis zu 300 Mark und für den Fall,
daß diese nicht beigetrieben werden kann, zur Strafe der Haft bis zu 6 Wochen
verurtheilt. Diese Strafe, deren Charakter in beiden Prozessen naturgemäß voll-
kommen gleich ist, wird ganz allgemein als „Ordnungsstrafe“, von einigen, z. B.
Endemann, S. 214, auch als „Disziplinarstrafe“ bezeichnet, während andere
wenigstens von ihrem „rein disziplinären Charakter“ reden, z. B. Gaupp, S. 260.
Diese Auffassung wird als so selbstverständlich angesehen, daß eine Begründung über-
flüssig erschien. Höchstens wird auf § 318 des Straf GB. hingewiesen. Allerdings
findet sich diese Bezeichnung schon in den Motiven zur CPO. (vgl. Hahn, II.
S. 310) und ebenso in den Verhandlungen der Reichsjustizkommission, auch dort
ohne Begründung. Diese Thatsache allein kann für die Auslegung des Gesetzes
natürlich nicht maßgebend sein, ebensowenig aber kann man sich auf § 138 des Straf GB.
berufen. Daß darin von „Ordnungsstrafen“ geredet wird, welche auf das Nichterscheinen
von Zeugen gesetzt sind, ist für die Oualifikation der in der CPO. und Strafs P O.
angedrohten Strafen schon darum ohne Bedeutung, weil das Straf GB. den Prozeß-
ordnungen zeitlich vorangeht. Aber auch der Inhalt der Bestimmung in Absatz 3
kann nicht den Ausschlag geben, da das Nebeneinanderbestehen der fraglichen Strafen
auch dann nicht zweifelhaft sein kann, wenn man die im Prozesse zu verhängenden als
Kriminalstrafen ansieht. Das Vorschützen unwahrer Thatsachen als Entschuldigung
ist gegenüber dem Nichterscheinen eine selbständige Handlung, jedoch kann die sonst
bei realer Konkurrenz zu verhängende Gesammtstrafe nicht ausgesprochen, sondern es
muß auf die verschiedenen Strafen gesondert erkannt werden, weil § 138 des Straf GB.
Gefängniß, § 345 der CPO., § 50 der StrafP¼ O. Geldstrafe oder Haft androhen. Eben-
sowenig sprechen innere Gründe dafür, die Strafen des Ausbleibens nicht für kriminell zu
halten. Zwar liegt der Begriff der Ordnungsstrafe (vgl. diesen Art.) noch sehr im
Argen, doch kann man immerhin zwei Kategorien derselben aufstellen: a) solche, welche
begrifflich sich von der eigentlichen Strafe unterscheiden und zwar dadurch, daß sie
executio ad faciendum bezüglich einer bestimmten Leistung bezwecken, b) solche, bei
denen dieser begriffliche Unterschied fehlt und die nur deshalb nicht als kriminelle Strafen
angesehen werden, weil die Rechtsverletzungen, auf welche sie sich beziehen, dazu nicht
bedeutend genug erscheinen. Die Strafen gegen renitente Zeugen gehören zu keiner
von diesen Gruppen, zur ersten nicht, weil sie unabhängig von der nebenher zu-
lässigen executio ad faciendum verhängt werden müssen, zur zweiten auch nicht,
weil sonst dieser Umstand einen besonderen gesetzgeberischen Ausdruck gefunden haben.
würde, außerdem aber auch die fragliche Rechtsverletzung, d. h. die Nichtachtung der
durch staatliche Normen auferlegten Zeugnißpflicht von mindestens so großer Be-
deutung ist, als manches Vergehen, z. B. gegen die öffentliche Ordnung (vgl. auch
Binding, S. 115). — Praktische Bedeutung hat die Frage, ob Ordnungs= oder
Kriminalstrafe, insofern, als die Grundsätze des Absch. I. des StrafGGB. auf Ord-