Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

858 Taration der Grundstücke. 
Miteigenthümer, welcher seinen Beitrag zur Unterhaltung der Sache zu leisten außer 
Stande ist oder sich vorsätzlich der Leistung desselben entzieht, die Ueberlassung seines 
Antheils gegen Werthersatz zu verlangen (Preuß. LR. 1. 17 §§ 45—51). Auch 
bei der AusÜbung von Retraktrechten werden gerichtliche Taxen erforderlich, wenn 
der Näherberechtigte im Falle doloser Uebertreibung des Kaufpreises zu dem ihm 
von der gemeinrechtlichen Praxis gewährten Auskunftsmittel greift, das Grundstück 
gegen den taxirten Preis zu übernehmen. Nach manchen Gesetzen ferner dürfen 
Grundstücke bevormundeter Personen niemals ohne gerichtliche Taxe veräußert wer- 
den; so auch nach Preuß. LR. (II. 18 58 568 ff.), während nach der Preußischen 
Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875 die Aufnahme einer Taxe behufs des 
gerichtlichen Verkaufes von Mündelgütern zwar zulässig, aber nicht mehr nothwendig 
ist. Ebenso hängt es vom Ermessen des Gerichts ab, ob eine Taxe ausgenommen 
werden soll, wenn die Genehmigung zur Veräußerung des Grundstückes eines Haus- 
kindes durch den Vater nachgesucht wird. 
Mit der T. d. G. kraft freiwilliger Gerichtsbarkeit ist die gerichtliche Werth- 
feststellung nicht zu verwechseln, zu welcher das Gericht im Prozeß berufen wird. 
Hierbei ist nach heutigem Deutschen Prozeßrecht das Gericht weder an das Gut- 
achten der sachverständigen Taxatoren noch an bestimmte Taxgrundsätze formell ge- 
bunden. Dies gilt daher namentlich auch von der Festsetzung der Entschä- 
digungssumme für enteignete Grundstücke, die im Streitfalle überall definitiv durch 
Entscheidung des ordentlichen Gerichts der belegenen Sache erfolgt. Doch sind die 
Rechtsgrundsätze, nach welchen dabei die Werthbestimmung stattzufinden hat, durch 
die Expropriationsgesetze näher normirt (vgl. d. Art. Expropriation). Ebenso 
hat das Gericht über den Werth einer Liegenschaft, ihrer Erträge oder ihrer Zu- 
behörungen nach freiem Ermessen zu entscheiden, insofern derselbe als Werth des 
Streitgegenstandes für die Zuständigkeit des Prozeßgerichts, für die Zulässigkeit der 
Revision oder für die Höhe der Gerichtskosten maßgebend ist; es ist aber auch hier- 
bei einerseits zur Zuziehung sachverständiger Taxatoren befugt, andererseits an ge- 
wisse Rechtsgrundsätze über die Werthbestimmung gebunden (vgl. Deutsche CPO. 
§§ 3—9 und 508, Gerichtskostengesetz vom 8. Juli 1878, §8 15—17). 
Neben den gerichtlichen Taxen gelten auch Taxen, die von anderen dazu er- 
mächtigten Behörden unter öffentlicher Autorität aufgenommen sind, als öffent- 
liche Taxen. Dazu gehören in Preußen und sonst vor Allem die landschaft- 
lichen Taxen, welche von den vom Staat normirten und privilegirten öffentlichen 
Kreditverbänden der Grundbesitzer aufgerichtet werden. Das Verfahren bei der T. 
d. G. durch die Preußischen Landschaften ist in deren landesherrlich bestätigten Sta- 
tuten und Reglements, meist mit gewissen Unterschieden für inkorporirte adelige und 
sonst beleihungsfähige Güter, genau geregelt. Dabei findet zunächst eine örtliche 
Abschätzung nach ein für allemal feststehenden Taxprinzipien durch eine hierzu er- 
nannte Kommission (in der Regel aus zwei Landesältesten und dem Syndikus ge- 
bildet) statt; darauf folgt die Prüfung der Taxe durch Revisoren (meist zwei andere 
Landesälteste); sodann wird die Taxe nach gehaltenem Vortrag durch Beschluß des 
landschaftlichen Kollegiums des betreffenden Bezirkes festgesetzt; endlich ist der Rekurs 
an die Organe des Gesammtverbandes der Provinz (Generallandschaftsdirektion und 
von ihr an den engeren Ausschuß) zulässig. Die landschaftlichen Taxen sind ent- 
weder Kredittaxen oder Subhastationstaxen. Kredittaxen werden zur Ermittelung 
des beständigen Gutswerthes ausgenommen, wenn die Landschaft um ein Darlehen 
angegangen wird. Die Beleihung mit Pfandbriefen erfolgt bis zu zwei Dritteln 
der Taxe; auf Grund älterer Taxen jedoch nur nach vorgängiger örtlicher Tax- 
recherche, die nie zu einer höheren, wol aber zu einer niedrigeren Werthifestsetzung 
führen kann. Subhastationstaxen, bei welchen zu dem Kreditwerth noch der ab- 
geschätzte Werth der als nicht beständig von der Kreditwerthschätzung ausgeschlossenen 
Nutzungen und Realitäten hinzutritt, wurden früher bei jeder nothwendigen Sub-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.