1472 Zuständigkeit.
Zuständigkeit (competentia judicis; v. Bar, Th. I. Suppl. S. 31 ff.,
John, Th. I. Suppl. S. 22 ff.) ist die Eigenschaft eines Gerichts, vermöge
welcher es dem Beklagten oder seiner Sache zusteht, vermöge welcher es also ver-
pflichtet ist, im Prozesse des Beklagten seine Gerichtsgewalt in Anwendung zu
bringen, und der Beklagte wiederum ein Recht darauf besitzt, nur von diesem ihm
zuständigen Gerichte und von keinem anderen Recht zu nehmen. Die Z. ist ein
dem Gerichtsstande korrelater Begriff, und dieselben Gründe, aus welchen der Be-
klagte vor einem bestimmten Gerichte zu Recht zu stehen verpflichtet ist, entscheiden
auch über die Z. der Gerichte (vgl. die Art. Gerichtsstand). Zwischen dem
Beklagten und dem Gerichte besteht kein privatrechtliches Vertragsverhältniß, auf
welches jene gegenseitigen Pflichten und Rechte gründeten; die Verhältnisse der Z.
sind öffentlichen Rechtens, es ist der Staat, der in Ordnung der Gerechtigkeitspflege
durch seine Gesetze dem Gerichte Gewalt über den Beklagten verliehen hat. Wo
einem Gerichte vom Gesetz solche Macht nicht verliehen ist über den Beklagten, da
hat es gegen ihn, es sei denn daß der Beklagte sich ihm aus freien Stücken unter-
werfen wollte, nicht mehr Recht wie ein Privatmann und kann ein solches auch
durch keinerlei Entscheidung gewinnen; denn von jeder Entscheidung gilt der Satz
des Römischen Rechts: ne quemquam litigatorum sententia non a suo judice dicta
constringat. Eben darum hat jedes Gericht gleich von Beginn des Prozesses an,
ehe es thätig wird, seine Z. von Amtswegen zu prüfen, und kann sich auch im
weiteren Verlauf des Verfahrens, wenn sie mit Grund angefochten wird oder das
Gericht selbst sich überzeugt, daß seine Gerichtsgewalt hier nicht geübt werden dürfe,
ihrer erneuten Prüfung nicht entziehen. Der Beklagte sodann darf jedes Verhandeln
vor einem unzuständigen Richter ablehnen und die Einrede der Unzuständigkeit
namentlich auch unter Weigerung der Einlassung auf die Hauptsache prozeßhindernd
vorbringen und Entscheidung über sie fordern. Aber auch, wenn er dies versäumt
hat, ist ihm darum sein Recht noch nicht verloren, er kann das Urtheil des unzu-
ständigen Richters auch später noch mit Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde an-
sechten. Es hat freilich seit dem Mittelalter manche Rechtslehrer gegeben, welche
dem Beklagten, wenn er sich ohne die Einrede vorzubringen, auf die Verhandlung
der Hauptsache eingelassen hat, einen Verzicht auf die Rüge des Mangels beigemessen
haben. Diese Ansicht, welche, wie es scheint, zuerst beim Verfasser des Ordo judiciarius
des Codex Bambergensis sich findet, ist durch ein bedenkliches argumentum a contrario
aus c. 3 C. 3 qu. 6 hergeleitet und durch eine verwerfliche Berufung auf die
Vorschriften über die exceptio judicis suspecti gestützt, und hat gegenüber dem
Römischen Recht, welches Kenntniß der Unzuständigkeit zur Annahme des Verzichts
erfordert und im Falle des Irrthums die Zustimmung der Parteien ausschließt, sich
im Gemeinen Recht allgemeine Anerkennung nicht zu erwerben vermocht. Was nun
die Deutsche Reichsgesetzgebung anlangt, so hat zunächst im Civilprozeß
jedes Gericht seine Z. wie im Gemeinen Recht von Amtswegen und auf Einrede
oder Antrag zu prüfen und sich eventuell für unzuständig zu erklären. Der Beklagte
kann die Einrede der Unzuständigkeit prozeßhindernd vor der Einlassung vorbringen.
Hat er dies unterlassen, so kann er, auch abgesehen vom Fall unverschuldeten Un-
vermögens, die Rüge später bis zum Urtheil und noch in der Berufungsinstanz vor-
bringen. Dies erleidet jedoch in vermögensrechtlichen Sachen, wo ein ausschließlicher
Gerichtsstand nicht vorgeschrieben ist, eine Ausnahme, indem hier, wenn der Be-
klagte zur Hauptsache mündlich verhandelt hat, ohne die Unzuständigkeit geltend zu
machen, stillschweigende Vereinbarung des unzuständigen Gerichts angenommen werden
soll, eine Präsumtion, welche jedoch nicht Platz greift, wenn der Beklagte noch mit
der Einlassung einen auch nur eventuellen Protest gegen die Unzuständigkeit oder die
Absicht der Vereinbarung verbindet, welche ferner nicht ausschließt, daß das Gericht
bei Verhandlung anderer prozeßhindernder Einreden von Amtswegen auf den Mangel
der 3. aufmerksam mache und, wenn derselbe nicht durch Gründe des Klägers oder