Zwischenstreit und Zwischenurtheil. 1507
Der Zwischenstreit und das Zwischenurtheil des neuen Deutschen
Prozeßrechts sind völlig neue, von dem früheren Recht unabhängige Schöpfungen.
Die CPO. bezeichnet indessen mit dem Ausdruck Zwischenurtheil drei ver—
schiedene richterliche Entscheidungen, nämlich 1) diejenige, welche einen sog.
Zwischenstreit zwischen den Parteien abschließt; 2) eine solche, welche einen
Zwischenstreit zwischen den Parteien oder einer derselben einerseits und einem
Dritten andererseits erledigt — (die beiden gedachten Urtheile würden passender als
Zwischenstreiturtheile bezeichnet), und endlich 3) eine Entscheidung, welche
nicht in Bezug auf einen Zwischenstreit ergeht, vielmehr ebenso wie das End= und
das Theilurtheil sich auf den Streitgegenstand selbst bezieht. Bei den wenigen An-
haltspunkten, welche die CPO. für eine prinzipielle Behandlung der fraglichen
Materie bietet, bildet dieselbe bereits eine der bestrittensten Lehren des neuen
Prozeßrechtes.
I. Der Zwischenstreit und das Zwischenurtheil: 1) zwischen den
Parteien. Bei dem Mangel einer Begriffsbestimmung des Zwischenurtheils in der
CPO. nimmt eine Ansicht an, daß es in das Ermessen des Richters gestellt sein
soll, einen jeden unter den Parteien im Prozeß entstandenen Streitpunkt als Zwischen-
streit zu behandeln (Koch u. Struckmann, Komment., 3. Aufl. S. 259; Ende-
mann, Erläuterungen, I. 461), richtiger ist dagegen die entgegengesetzte Meinung,
welche in Anhalt an 8§ 123, 137, 275, 312, 315, 331, 426 davon ausgeht, daß
die CPO einen festen Begriff des Zwischenstreites aufstellt. Die Anhänger derselben
scheiden aus demselben übereinstimmend alle Streitpunkte unter den Parteien, welche
den Anspruch selbst oder selbständige Angriffs= und Vertheidigungsmittel
(s. diesen Art.) betreffen, aus (Fitting, S. 122; Wach, S. 88; v. Bülow,
S. 815; Schollmeyer, S. 36 ff.), weichen aber in der positiven Begriffsbestimmung
von einander ab. v. Bülow erklärt für Zwischenstreite alle anderen, einer ab-
gesonderten Entscheidung fähigen Streitpunkte, welche entweder vom Gesetze ausdrücklich
als solche erklärt sind (§§ 331 und 430) oder thatsächlich als solche vom Richter
dadurch behandelt werden, daß er eine besondere mündliche Verhandlung darüber
eintreten läßt; Wach jeden Parteistreit über prozessualische Rechte und Pflichten sowie
über die Voraussetzungen prozessualischer Handlungen; Fitting jeden Streitpunkt,
welcher die Hauptsache nicht unmittelbar berührt, dessen Entscheidung aber für die
Entscheidung der Hauptsache oder in Rücksicht auf das Verfahren erforderlich ist;
Schollmeyer (wol am zutreffendsten) jeden im Laufe des Prozesses unter den
Parteien entstandenen und verhandelten Streitpunkt, welcher thatsächliche, in den
Zusammenhang des Prozesses hineingehörende Voraussetzungen für die Anwendung
einer Prozeßregel zum Gegenstande hat und die Möglichkeit einer Erledigung durch
Zwischenurtheil gewährt, d. h. weder ohne mündliche Verhandlung, noch blos durch
Beschluß, vielmehr unter Umständen statt durch Zwischenurtheil, lediglich durch End-
urtheil erledigt werden kann. Im Gesetz selbst werden als Zwischenstreitsfälle auf-
gefaßt: ein vor dem beauftragten oder ersuchten Richter entstandener Streit, von
dessen Erledigung die Fortsetzung der Beweisaufnahme abhängt und für welchen der
erwähnte Richter nicht zuständig ist (§ 331), ferner das Verfahren über die Eides-
leistung, wenn der Schwurpflichtige im Schwurtermine ausbleibt (§ 430) und die
Verhandlung über die Aufnahme des Verfahrens durch die Rechtsnachfolger einer ver-
storbenen Partei (6 217). Die Motive (Allg. Begründung des Entw. der CPO.
§ 7 und Begründung zu 8§ 262—265, 279) nennen als weitere Beispiele Streitigkeiten
über Vorlegung oder Echtheit einer Urkunde, über Beweiseinreden, über die Zu-
schiebung oder Zurückschiebung eines Eides oder die Abnahme von Parteieiden.
Ferner sind aber z. B. auch hierher zu rechnen: Streitigkeiten über die prozeß-
hindernden Einreden, über den Einwand unzulässiger Klageänderung (gegen beides
indessen Wach, S. 88), über die Zulässigkeit einer nachträglichen Beweisaufnahme
oder einer Vervollständigung derfelben, über die Fassung einer Eidesnorm, über die
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