Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

Territorialgewässer. 869 
De dominio maris veröffentlichten Werke. Bynkershoek erkennt an, daß das Meer 
im Allgemeinen nicht Gegenstand des Staatseigenthums sein kann, sondern allen 
Völkern gemeinschaftlich gehöre, aber er erklärt, daß Theile des Meeres unter be- 
stimmten Voraussetzungen Eigenthum eines einzelnen Volkes sein können. 
Bynkershoek vertritt bereits die Ansicht, daß Küstenmeere Eigenthum der Küsten- 
staaten sind. Dieses Recht ist von der neuern Wissenschaft weiter entwickelt worden. 
Es hat seinen Grund in dem Interesse der Staaten ihr Landgebiet gegen Ueberfälle 
zur See sicher zu stellen. Der Küstenstaat muß daher in der Lage sein, Anstalten 
zur Ueberwachung der Küsten und zur Ausübung der Küstenpolizei zu treffen. 
Deshalb wird ihm das Eigenthum des Küstenmeers, soweit ein Kanonenschuß reicht, 
zugestanden. Er hat also das Recht, Friedensstörungen in den Küstengewässern zu 
verhindern, Fischerei daselbst zu treiben, und die Gerichtsbarkeit auszuüben. Dieser 
Souveränetät über Küstengewässer steht gleich die Souveränetät über die dadurch 
gedeckten Meereseinbrüche, Meerbusen, Buchten, Rheden und Häfen. Heffter hebt 
dies in seinem Völkerrechte mit dem Bemerken hervor, daß die Rechte des oder der 
angrenzenden Küstenstaaten über die geschlossene Meerenge an und für sich dieselben 
sind, wie über die Küstengewässer im Allgemeinen, wenn ihnen keine größeren durch 
die Zugeständnisse anderer Nationen gewährt und versichert sind, wie das mit dem 
Dänischen Sundzoll der Fall war. 
Solche Meere, welche von einem Territorium oder von mehreren ganz und 
vollständig eingeschlossen sind, gelten gleichfalls als Eigenthumsmeere. Dahin gehört 
z. B. das Kaspische Meer. Derartige Meerestheile, welche durch eine fahrbare 
Meerenge mit dem Ozean verbunden sind, werden nach neueren völkerrechtlichen 
Grundsätzen indeß als freies Meer angesehen. So hat der Parifer Vertrag vom 12. 
März 1856 auch das Schwarze Meer, welches früher als ein Türkisches galt, der 
Schiffahrt fremder Nationen eröffnet. » 
Flüsse, welche sich in das Meer ergießen, gehören bis zu ihrer Ausmündung 
zum Gebiete des Staates, oder derjenigen Staaten, welche sie durchströmen. Nach 
früheren Rechtsanschauungen war es daher dem Belieben dieser Staaten anheim- 
gegeben, ob sie den Angehörigen fremder Staaten die Schiffahrt auf solchen Flüssen 
gestatten wollten oder nicht. Erst die Wiener Kongreßacte hat durch die Art. 
108—117 und 118 in dieser Hinsicht Beschränkungen eingeführt. Der Art. 109 
schreibt vor: „La navigation dans tout le cours des rivières indiquées dans 
P’articke précédent, du point on chacune d’elles devient navigable jusqu’'a son 
embouchure, sera entierement libre, et ne pourra, sous le rapport 
de commerce, ötre interdite àpersonne, bien entendu, qdue Uon se 
Conformera aux réglements relatifs à la police de cette navigation, lesquels seront 
Concus d'une manieère uniforme pour tous, et aussi favorables due possible au 
commerce de toutes les nations“! — Bluntschli bemerkt in seinem Lehrbuch des 
modernen Völkerrechts, die Logik des Gedankens nöthige dieselbe Freiheit der Schiff- 
fahrt auch bezüglich der Flüsse zu fordern, welche nur durch ein Staatsgebiet fließen, 
aber indem sie in das Meer fließen, von Natur dem Weltverkehr dienen. Bluntschli 
bemerkt, daß diese Forderung zur Zeit noch nicht allgemein anerkannt sei. — Der 
Art. 108 des Wiener Kongresses, auf den der citirte Art. 109 Bezug nimmt, redet 
nämlich nur von Flüssen, die mehrere Staaten durchfließen, und auch in neuerer 
Zeit sind rechtsverbindliche Aenderungen in dieser Hinsicht nicht getroffen worden. 
Ed. Engelhardt, Französischer Gesandter u. Mitglied der Europäischen Donau- 
kommission, bemerkt in seinem Aufsatze: La liberté de la navigation fluviale, den 
das 4. Heft der Revue de droit international vom Jahre 1879 veröffentlicht, daß 
auch für die in Art. 108 der Wiener Kongreßacte näher bezeichneten Ströme ein 
unbedingtes Recht der freien Schiffahrt für sämmtliche fremde Nationen zur Zeit 
noch nicht begründet sei. Veranlassung zu dieser Auffassung hat die Interpretation 
gegeben, welche den bereits angeführten Worten des Art. 109 „Sous le rapport de
	        
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