Titel. 889
die Erwerbung gestattenden Rechtssatz (z. B. die Regel: res nullius cedit occupanti),
bald das der Eigenthumsentstehung vorhergehende faktische Verhältniß (die Herren-
losigkeit der Sache). Die Lehre, welche in Folge der Angriffe Thibaut's und
Hugo's aus dem heutigen Gem. Recht verschwunden, hat trotzdem heute noch ihre
partikularrechtliche Bedeutung. Das Preuß. Allgem. LR. hat sie nicht nur adoptirt,
sondern sie ist auch für die systematische Anordnung seines ersten Theils, dessen
Mittelpunkt das Eigenthum bildet, und für seinen Begriff der dinglichen Rechte,
sowie für die Lehre vom Erwerb derselben von entscheidendem Einfluß gewesen.
Nach § 131 Tit. 2 Th. I. „heißt die Handlung oder Begebenheit, wodurch
Jemand ein Recht auf eine Sache erlangt, die Erwerbungsart“, nach § 132: „der
gesetzliche Grund, vermöge dessen die Handlung oder Begebenheit die Kraft hat, daß
dadurch das Recht erworben werden kann, der Titel“. Weiter setzt nach § 133
die „Erwerbung eines Rechtes auf fremde Sachen bei dem Erwerbenden ein vor-
gehendes Recht zur Sache voraus“, und nach § 134 heißt: „dieses persönliche
Recht, aus welchem durch die hinzukommende Erwerbungsart ein Recht auf die Sache
der Titel diefes dinglichen Rechtes“. Daß dieser Titel oder dieses
Recht zur Sache das mittelalterliche, relativ dingliche jus ad rem ist,
19 Th. I. § 5: „Kann aber der Besitznehmer überführt werden, daß
ihm das zu derselben Sache erlangte perfönliche Recht des Anderen zur Zeit der
Besitzergreifung schon bekannt gewesen sei, so kann er sich seines durch die Uebergabe
entstandenen dinglichen Rechtes gegen denselben nicht bedienen“. Die erwähnte
gemeinrechtliche Generalisirung der Theorie von dem modus und titulus acquirendi
dominii enthält der § 2 Tit. 10 Th. I.: „Der T. zur mittelbaren Erwerbung
des Eigenthums kann durch Willenserklärungen, Gesetze und rechtliches Erkenntniß
begründet werden“. Die Einwirkung der Lehre auf die Systematik des Gesetzbuchs
zeigt sich darin, daß Tit. 11 und Tit. 12 Th. I., ersterer „von den Titeln
zur Erwerbung des Eigenthums, welche sich in Verträgen unter Lebenden gründen“,
letzterer: „von den Titeln zur Erwerbung des Eigenthums, welche aus Verord-
nungen von Todeswegen entstehen“, handeln, und im Tit. 11 die Normen für den
Kauf, den Tausch, die Abtretung der Rechte (Cession), den Erbschaftskauf, den Trödel-
vertrag, die gewagten Geschäfte (namentlich emtio spei, Lotterie, Spiel, Wette,
emtio rei speratae, Altentheil, Leibrente), das Darlehn, die Verträge über Hand-
lungen (dabei die locatio operarum, das opus locatum, der Lieferungsvertrag, der
Verlagsvertrag), die Schenkung, im Tit. 12 dagegen die Regeln für die Testamente,
Kodizille und Erbverträge gegeben werden. Endlich ist der Begriff des T. oder des
persönlichen Rechtes für die Dinglichkeit der Rechte insofern von erheblichstem Ein-
fluß, als nach § 135 Tit. 2 Th. I. diefe letztere dann eintritt, „wenn demjenigen,
der ein persönliches Recht zu einer Sache hat, der Besitz derselben auf den Grund
dieses Rechtes eingeräumt wird“, sonst aber (also ohne den Besitz) die Dinglichkeit
durch besondere gesetzliche Bestimmung ausgesprochen sein muß. Daher kennt das
Preuß. Recht nicht blos die fünf dinglichen Rechte des Röm. Rechts (Eigenthum,
Servituten, Pfandrecht, Emphyteuse und Superfizies), vielmehr giebt die Miethe
und das Kommodat, sobald der Miether oder Kommodatar im Besitze ist, gleichfalls.
ein dingliches Recht. — Außer dem Preuß. Allgem. LR. hat das Oesterr. BG., welches.
freilich nur den Besitz, das Eigenthum, das Pfandrecht, die Dienstbarkeit und das
Erbrecht (§ 308) für dingliche Rechte erklärt, jene Theorie adoptirt, indem es
bestimmt § 380: „Ohne T. und ohne rechtliche Erwerbung kann kein Eigenthum
erlangt werden“; § 381: „Bei freistehenden Sachen (ees nullius) besteht der T.
in der angeborenen Freiheit, sie in Besitz zu nehmen“; § 424: „Der T. der mittel-
baren Erwerbung liegt in einem Vertrage, in einer Verfügung auf den Todesfall,
in dem richterlichen Ausspruche oder in der Anordnung des Gesetzes“, und ferner
des T. auch besonders beim Besitz (§§ 316—320), dem Pfandrecht (6 449), der
Dienstbarkeit (§ 480) und beim Erbrecht (§ 533) gedenkt. Die im Preuß. Recht.