Todesstrafe. 893
politische Verbrechen die T. gleichmäßig zulässig ist. Nach dem Deutschen Straf GB.
wird der Mordversuch und der Mord, begangen am Kaiser, am eigenen Landes-
herrn u. s. w., als Hochverrath (§ 80) und außerdem der vollendete Mord (§ 211)
mit dem Tode bestraft. Unter den Gesetzbüchern, welche sich der T. bedienen, waltet
auch darin eine Verschiedenheit, daß die Drohung entweder absolut oder alternativ
neben einem anderen schweren Strafübel ausgesprochen wird. Letzteres ist der Fall
im Schwed. Straf CB., während das Deutsche Straf GB. im Gegensatz zu den rich-
tigeren Grundsätzen der Kriminalpolitik die absolute Androhung festgehalten hat,
was um so weniger gerechtfertigt ist, als das Deutsche Militärstrafgesetz die T. nicht
absolut androht.
Schon im Mittelalter ließen sich vereinzelte Stimmen gegen die T. vernehmen,
und auch im Zeitalter der Reformation fand die T. bereits Widerspruch. Zu einer
allgemeinen gesetzgeberischen und wissenschaftlichen Streitfrage ward die T. aber erst
durch Beccaria's Buch über Verbrechen und Strafen (1764), von dessen Er-
scheinen ab eine unabsehbare Reihe von Streitschriften für und wider die T. ge-
wechselt ward. Zuerst abgeschafft ward die T. in Toscana 1786, demnächst vorüber-
gehend auch in Oesterreich 1787. Gegenwärtig ist die T. beseitigt in Toscana
(seit 1859), in Rumänien, in Holland (1870), in den meisten Kantonen der Schweiz,
in Portugal, in einer Anzahl nordamerikanischer Staaten.
In Deutschland war bis zum 1. Januar 1871 die T. abgeschafft gewesen in
D#ebr, Bremen, Anhalt und im Königreich Sachsen (seit dem 1. Oktober
1868).
Auch die Mehrheit des Norddeutschen Reichstages verwarf Anfangs die T. und
ließ deren Beibehaltung nur zu, weil das Zustandekommen des Straf GB. durch den
Bundesrath von deren Aufrechterhaltung abhängig gemacht wurde. Die Deutschen
Grundrechte hatten die T. 1848 aufgehoben, die meisten Deutschen Juristen auf dem
Juristentage sie gemißbilligt. Unberührt von der Aufhebung bleibt überall das
Kriegs= und Nothrecht. In den Militärstrafgesetzbüchern ist die T. überall für die
schwersten Militärverbrechen (Desertion vor dem Feinde, thätliche Angriffe auf Vor-
gesetzte) vorbehalten, dasselbe gilt von der Meuterei zur See. Das Deutsche
Mil. Straf GB. droht die T. in 12 Fällen. Bezüglich der Vollstreckungsweise gelten
bis zum Erlaß einer einheitlichen Mil. Straf O. vorerst noch Verschiedenheiten in
Bayern. Nach Verkündung des Belagerungszustandes (s. diesen Art.) werden
gewisse, sonst nicht todeswürdige Verbrechen auch an Civilpersonen mit Erschießen
geahndet. Für den Fall eines Einmarsches in feindliches Gebiet hat der Krieg-
führende das Recht, zum Schutze seiner eigenen Sicherheit gegen Unterthanen der
feindlichen Macht die T. anzudrohen und zu vollstrecken. Gegen Solche, welche,
ohne zur feindlichen Armee zu gehören, mit den Waffen in der Hand bei der Ver-
übung eines verbrecherischen Angriffes betroffen werden, bedarf es nicht einmal eines
vorangegangenen kriegsrechtlichen Verfahrens. Ihre sofortige Erschießung ist zulässig.
(Siehe hierüber die Norddeutsche Verordnung über die Regelung der Militärrechts-
pflege in Kriegszeiten vom 31. Juli 1867, nebst dem darauf Bezug nehmenden
Cirkularschreiben des Generalauditoriats an die Auditeure vom 25. Juli 1870.)
Das Oesterreichische Straf#S B. droht, von standgerichtlichen Fällen und von den
Vergehen gegen die Postanstalten (Patent vom 21. Mai 1808) abgesehen, die T.
in fünf Fällen. Außer Mord und Hochverrath finden sich bedroht öffentliche Gewalt-
thätigkeit, räuberischer Todtschlag und qualifizirte Brandstiftung.
Lit.: Berner, Abschaffung der T., 1861. — Mittermaier, Die T. nach den Er-
gebnissen der wissenschaftlichen Forschungen, der Hortchrite der Gesetzgebung und der Erfah-
rungen, 1862. — Hetzel, Die Todesstrafe in ihrer kulturgeschichtlichen Entwickelung, 1870.
(Ebendaselbst S. 485—515 das reichhaltigste, bis jetzt vorhandene Verzeichniß der ½ und
wider die T. erschienenen Schriften.) — v. Holtzendorff, Das Verbrechen des Mordes und
die T., 1874.
v. Holtzendorff.