Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

94 Neichsteg. 
bewegen. Wer aber soll, wenn dieses Recht ganz allgemein statuirt wird, 
diese Competenz definiren? Sobald Sie das Amendemeut annehmen, wie 
es Ihnen hler vorgeschlagen wird, würde die Befugniß, über jede beliebige 
Thatsache Zeugen= und Sachverständigenvernehmung zu veranlossen, unbedingt 
dem Relchstage vindicirt sein und er würde der größten Gefahr sich anssetzen, 
fort und fort über selue Competenz hluauszugreifen und dadurch unnöthiger- 
weise Conflicte herbeizuführen. Ich glaube aber auch, meine Herren, daß der- 
artige Ausluuftsmittel, um zu irgend einem Ziele zu gelangen, in der That 
ganz unnöthig sind. Bei der Oeffentlichkeit der Verhandlungen, wird sich 
da, wo Beschwerden vorliegen, ein Mittel finden, auf anderem Wege zu 
einer vollständigen Klarheit zu gelangen. Es giebt nur ein Entweder — 
Oder. Entweder sind die Regierungen einverstanden und sind geneigt, 
dem Reichstage zu Hülfe zu kommen zur Kenntnißnahme der Beschwerden, 
um die es sich handelt, dann ist es nicht nöthig, Commissionen aus dem 
Reichstage zu erwählen, oder aber sie widerstreben, bestreiten die Competenz, 
dann allerdings fehlt es dem Reichstage vollständlg an allen Organen, um 
wirklich zu einer wahren Klarstellung der Sache zu kommen. Sie werden 
fortwährend in Conflict gerathen mit den Beamten, die Sie ja nöthig haben, um 
Ihrerseits die Zeugen vernehmen zu lassen. Sle finden von keiner Seite 
eine Unterstlitung, es wird dadurch nur eine Gährung und böses Blut er- 
zeugt und am Ende ist das Material, welches auf diese Weise gesammelt 
ist, doch in keiner Weise geeignet, das nachzuweiseu, was man hat bewelsen 
wollen. Es ist dann viel Staub aufgerührt worden und weiter nichts damit 
erzielt. Ich würde Ihnen also empfehlen, das Amendement Baumstark an- 
zunehmen und das Amendement Lasker abzulehnen. 
Newitzer (Chemnitz)“). Ich spreche gegen die Vorlage, weil sie 
diejenigen Rechte nicht enthält, welche von Selten mehrerer Herren Abgeord- 
neten beantragt worden siud. Die Antragsteller wollen in die Verfassung 
das Recht der Adresse, das Recht der Petitlon, das Recht der Be- 
schwerde, das Recht der Interpellation und auch das Recht mit auf- 
genommen wissen, daß Sie verlangen dürfen, der Bundeskanzler oder 
mindestens ein Stellvertreter desselben solle auf Verlangen erscheinen. 
Was das erste Verlangen betrifft — das Recht eine Adresse erlassen zu 
können — so finde ich das so natürlich, daß ich glaube, es läßt sich nicht 
viel dagegen sagen. Der Reichstag wird, wie Sie wissen, durch eine Thron- 
rede eröffnet. In dieser Thronrede legt die Reglerung in der Regel ihre 
Ansschten Über die Sachlage vor. Was ist natürlicher, als daß auch der 
Reichstag darauf antwortet und seinerseits ebenfalls ausdrückt, wie er 
über die Sachlage denkt? Es gewährt aber auch das Recht der Adresse den 
Vortheil, daß in schwerer Zeit, in hochwogender Zeit eine Verständigung 
) St. Ver. S. 44.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.