Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

122 Reichstag. 
heimstellen. Ich würde es nicht so bezeichnen können, sondern ich würde 
es nur ansehen als eine der Garantien, daß nicht elin zu großes 
Schwanken in polltischer Beziehung in der Behandlung der 
Bundesangelegenheiten eintritt. Sie werden mir nicht bestreiten können, 
daß der Gedanke an dergleichen Garantien sehr nah liegt, nachdem wir eine 
einzige politische Körperschaft zur Vertretung haben, kein Ober- 
haus, (Sehr richtig! rechts) in welchein sonst die Stetigkeit der Eutwick- 
lung ihren Ausdruck und ihren Anhalt findet. Es ist ferner — und das, 
glaube ich, ist eigemlich der Hauptpunkt — gesagt worden, es sel nicht gut, 
wenn eine parlamentarische Versammlung nicht häufig herantrete an die 
Quelle, aus der sie entsprungen ist, wenn sie nicht, so zu sagen, sich häufig 
verjünge an dem Ausdruck der Meinung des Volkes. Meine 
Herren, ich glaube, das in dieser Beziehung ein Zeitraum von 5 oder 
6 Jahren gewiß nicht zu lang ist; ich glaube aber auch, daß dieses häu- 
fige Herantreten an diese Quelle der Existenz ihre außerordentliche 
Gefahr in sich birgt, und wenn der Herr Abgeordnete für Osnabrück ge- 
sagt hat, bei einer längeren Legislaturperiode habe man zu erwarten, daß 
der Reichstag nicht ein Minlaturbild, eine getreue Photographle der 
öffentlichen Meinung sein werde, sondern ein Zerrbild derselben, so muß 
ich darauf erwiedern: Sollte das wirklich eintreten, es würde lmmer 
besser sein, als wenn der Reichstag bei häusigen WGahlen das 
getreue Abbild einer öffentlichen Meinung werden sollte, welche 
selbst zum Zerrbild geworden ist, und daß wir in augenblicklichen 
Strömungen und aufgeregten Zeiten dergleichen Zerrbilder der öffentlichen 
Meinung sehr ost erleben, die zur Herrschaft gelangen können, wer wollte es 
bestreiten? Meine Herren, es ist gesagt worden von dem Herrn Abgeord- 
neten Gneist“, die Verlängerung der Legielaturperiode sei ein gefährliches 
Schönheitsmittel; der Herr Abgeordnete möge mir es nicht übel 
nehmen, ich habe selten eine un geeignetere Bezeichnung gehört, wenigstens 
soweit sie die Tendenz der Antragsteller betrifft, aus welche er gerade Gewicht 
legte. Meine Herren, Sie wissen und wir haben es in der Zeit der Ver- 
handlungen bewiesen, wir wollen nicht auf bloße Schönheitsmittel Bedacht 
nehmen, sondern wir legen auch heute den Versuch zu bessern da an, wo es 
sich nach unserer Ansicht um ein erhebliches Object handelt, und wo wir 
glauben, nach unserer Ueber zeugung bessern zu können. Wir haben gewußt, 
daß sich viel Gegnerschaft gegen diesen Vorschlag erheben werde, und ich glaube, 
man könnte denselben gerade umgekehrt bezeichnen, als ein Pflaster, aber ein 
heilsamee. — Meine Herren, es bleibt mir nur übrig, Über die Differenz der 
beiden vorliegenden Vorschläge etwas zu sagen, in Beziehung auf die Anzgahl 
der Jahre, die der Reichstag dauern sell, fünf oder sechs. Freiherr von 
Vincke hat vorher bereits darauf hingewiesen, daß bei 5 Jahren für den 
Reichstag, und 3 Jahren für die einzelnen Landesvertretungen nach je 15 
Jahren die Wahlen für den Reichstag und für die Landesvertretungen in
	        
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