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heimstellen. Ich würde es nicht so bezeichnen können, sondern ich würde
es nur ansehen als eine der Garantien, daß nicht elin zu großes
Schwanken in polltischer Beziehung in der Behandlung der
Bundesangelegenheiten eintritt. Sie werden mir nicht bestreiten können,
daß der Gedanke an dergleichen Garantien sehr nah liegt, nachdem wir eine
einzige politische Körperschaft zur Vertretung haben, kein Ober-
haus, (Sehr richtig! rechts) in welchein sonst die Stetigkeit der Eutwick-
lung ihren Ausdruck und ihren Anhalt findet. Es ist ferner — und das,
glaube ich, ist eigemlich der Hauptpunkt — gesagt worden, es sel nicht gut,
wenn eine parlamentarische Versammlung nicht häufig herantrete an die
Quelle, aus der sie entsprungen ist, wenn sie nicht, so zu sagen, sich häufig
verjünge an dem Ausdruck der Meinung des Volkes. Meine
Herren, ich glaube, das in dieser Beziehung ein Zeitraum von 5 oder
6 Jahren gewiß nicht zu lang ist; ich glaube aber auch, daß dieses häu-
fige Herantreten an diese Quelle der Existenz ihre außerordentliche
Gefahr in sich birgt, und wenn der Herr Abgeordnete für Osnabrück ge-
sagt hat, bei einer längeren Legislaturperiode habe man zu erwarten, daß
der Reichstag nicht ein Minlaturbild, eine getreue Photographle der
öffentlichen Meinung sein werde, sondern ein Zerrbild derselben, so muß
ich darauf erwiedern: Sollte das wirklich eintreten, es würde lmmer
besser sein, als wenn der Reichstag bei häusigen WGahlen das
getreue Abbild einer öffentlichen Meinung werden sollte, welche
selbst zum Zerrbild geworden ist, und daß wir in augenblicklichen
Strömungen und aufgeregten Zeiten dergleichen Zerrbilder der öffentlichen
Meinung sehr ost erleben, die zur Herrschaft gelangen können, wer wollte es
bestreiten? Meine Herren, es ist gesagt worden von dem Herrn Abgeord-
neten Gneist“, die Verlängerung der Legielaturperiode sei ein gefährliches
Schönheitsmittel; der Herr Abgeordnete möge mir es nicht übel
nehmen, ich habe selten eine un geeignetere Bezeichnung gehört, wenigstens
soweit sie die Tendenz der Antragsteller betrifft, aus welche er gerade Gewicht
legte. Meine Herren, Sie wissen und wir haben es in der Zeit der Ver-
handlungen bewiesen, wir wollen nicht auf bloße Schönheitsmittel Bedacht
nehmen, sondern wir legen auch heute den Versuch zu bessern da an, wo es
sich nach unserer Ansicht um ein erhebliches Object handelt, und wo wir
glauben, nach unserer Ueber zeugung bessern zu können. Wir haben gewußt,
daß sich viel Gegnerschaft gegen diesen Vorschlag erheben werde, und ich glaube,
man könnte denselben gerade umgekehrt bezeichnen, als ein Pflaster, aber ein
heilsamee. — Meine Herren, es bleibt mir nur übrig, Über die Differenz der
beiden vorliegenden Vorschläge etwas zu sagen, in Beziehung auf die Anzgahl
der Jahre, die der Reichstag dauern sell, fünf oder sechs. Freiherr von
Vincke hat vorher bereits darauf hingewiesen, daß bei 5 Jahren für den
Reichstag, und 3 Jahren für die einzelnen Landesvertretungen nach je 15
Jahren die Wahlen für den Reichstag und für die Landesvertretungen in