Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

134 Neuchsteg. 
mich des Auedrucks sürerst bedienen — das Privilegium dee Reichslags auf 
die Zeit der Sitzungsperiode. Das Amendement Ausseld will das Privi- 
legium der Befreiung von der Hast auf die Zeit beziehen zwischen der Wahl 
und der Eröffnung des Reichstags, also auch auf die Untersuchungshaft und 
Criminalhaft, die in dieser Zeit zwischen der Wahl und der Eröffnung des 
Reichstages verhängt worden ist. Und endlich der dritte Unterschied ist der, 
daß ich nach der Preuhischen Verfassung, wenn ein Verbrechen begangen ist, 
nicht bloß die Berhaftung in llagranti, also unmittelbar nach der That, 
sondern auch auf den nächsten Tag gestatten und hierzu den Gerichten die 
Besugniß zur Verhaftung nicht entziehen will, während das Amendement 
Ausfeld nur dann, wenn die Verhaftung in klagranti geschieht, die Befug- 
niß der Gerichte nicht beschränken will. Ich empsehle nun einmal aus eini- 
gen allgemeinen Gründen, demnächst aber auch aus einlgen besonderrn Mo- 
tiven Ihnen mein Amendement vorzugsweise zur Anuahme. Es hat in 
formaler Beziehung voraus, daß ee eben nur eine Reassumtion eines sehr 
gründlich berathenen Artikels der Prrußischen Verfassung ist, also in Bezug 
auf seine Specialien in keiner Weise eine Discussion veraulassen kann, son- 
dern man darf sich einfach nur die Alternative vorlegen, ob es nothwendig 
sei, daß gleichzeitig in die Norddeutsche Bundesverfassung eine solche Bestim- 
mung ausgenommen werde. Ich glaube nun meinerseits, daß dies unbe- 
deuklich sein wird, weil ich davon ausgehe, daß es eben nur eine Llccke, ein 
Uebersehen in uuserem Verfassungsentwurfe ist, wenn man diese Garantie 
der Reichstagsabgeordneten in die Versassung nicht aufgeuommen hat, daß es 
sich also bloß um eine Ergänzung oder Declaration des Entwurfs der Ver- 
fassung zum Reichstage handelt. Es kommt eben hinzu, daß dergleichen 
Garantien für die Sicherheit der Person der Abgeordueten sich in allen Ver- 
sassungen besiuden. Ich werde natlrlich hier auf die historischen Grunnde, 
die, soviel ich weiß, schon im Ansange des 16ten Jahrhunderts in England 
vorlagen, nicht weiter eingehen, und zwar schon deshalb nicht, damit nicht 
wieder historische Controversen hier zur Sprache kommen. Man könnte wohl 
sagen, daß eine solche Bestimmung, — eine gerechte Regierung vorausge- 
setzt. — eigentlich nicht erforderlich wäre, weil man das Verfolgen chikanöser 
politischer Tendenzen bei ihr nicht voraussetzen könne; man kann außeirdem 
meinen, daß auch wohl ein Civilgläubiger, der etwa Wechselschulden gegen 
ein Mitglicd zu verfolgen hat, wohl so human sein würde, ein solches Mit. 
glied, was vielleicht in der Versammlung des Reichstages sehr nützlich sein 
könnte, währeud dieser Zeit außer Verfolgung zu setzen. Indessen, meine 
Herren, die Versassungen siud eben deswegen geschriebene und verbriefte 
Verfassungen, weil sie auch gegen Ausnahmefälle eine gewisse Sicherheit ge- 
währrn müssen. Diese Sicherheit ist überall nothwendig, sie ist aber na- 
mentlich — und ich hebe das besonders hervor — nicht bloß gegen politische 
Tendenzverfolgungen, sondern auch in Bezug auf die Ausschliehung der Civil- 
haft nothwendig, weil es ja sehr leicht vorkommen kanu, daß ein sehr tüchtiges
	        
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