Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

138 Neichslog. 
Wurzel, nach meiner Ansicht, das allgemeine Stimmrecht ist, und 
aus dem ja als natürliche Folge der Cäsarismus hervorzugehen 
pflegt, ist immer das der Ungerechtigkeit und der Machtlosig- 
keit gewesen. Jedenfalls aber, meine Herren, haben wir nun das all- 
gemeine Wahlrecht mit geheimer Abstimmung. Wlr werden uns darin fin- 
den müssen. Aber, meine Herren, unsere Pflicht, denke ich, wird nun 
die sein, die verderblichen Wirkungen, die es so oft gehabt hat, nach 
Krästen zu mäßigen und, wenn wir vielleicht einmal zu einer Gemeinde- 
Ordnung gelangen werden, die, weil sie auf gerechten und den factischen 
Verhältnissen entsprechenden Grundlagen beruht, sich als eine sichere und 
feste Stütze, sowohl für die Ordnung als für die bürgerliche Freiheit er- 
weisen wird, uns alsdann den Wegoffen zu erhalten, zu einem besseren, 
gesunderen und, wie ich mir hinzuzusetzen erlaube, zu einem vernünf- 
tigeren Wahlgesetze m gelangen. Nun, meine Herren, das einzige 
Mittel, welches Sie melnes Erachtens zu der Mäßigung jener Üblen 
Wirkungen des allgemeinen Wahlrechtes noch in Händen haben, nachdem 
Sie gestern auch die längere Wahlperiode abgelehnt haben, dies einzige Mittel 
ist, wie ich denke, noch die Diätenlosigkeit der aus dem allgemelnen 
Wahlrrcht hervorgehenden Abgeordneten. Denn sollten Sie auch noch, was 
ich nicht hoffe, Diäten für diese Abgeordneten beschließen, dann, fürchte ich, 
würden Sie sich diese Näume bald süllen sehen mit solchen Volksfreunden, 
von denen Plato spricht und über ihre Volkefreundschaft sagt, daß sie nur 
darin bestände, daß sie versicherteu, es wohl zu meinen mit dem Volke, und 
diesen Versicherungen nachzukommen suchten nicht auf ihre Kosten. Dann 
würden Sie es vielleicht erleben, daß z. B. die verehrten Abgrordneten für 
Berlin auf wenig zahlreichen Bänken der äußersten Rechten sößen und daß 
dieselben von ihren im Liberalismus so sehr weiter vorgeschrittenen Collegen 
vielleicht Reactionaire, vielleicht sogar Feudale genaunt würden. (Heiterkelt.) 
Meine Herren! Wenn Sie Dläten für die Abgrordneten, wie sie eben aus 
dem allgemeinen Wahlrecht hervorgehen werden, beschließen sollten, dann halte 
ich mich überzeugt, Sie werden genau dasselbe thun, was die Athener thaten, 
als sie die Theilnehmer ihrer Volksversammlungen für ihre Mühwaltung, 
für ihre Versäumniß in den Werkstütten auch noch bezahlten. So, wie das 
Wahlgesetz besch iffen ist, so wird im Laufe der Zeiten auch das Parlament 
werden, das aus ihm hervorgeht, und wie die Parlamente beschaffen sein 
werden, so wird im Laufe der Zelten auch die ganze Gesetzgebung werden, 
die aus diesen Parlamenten hervorgeht. Nun, meine Herren, ich denke, Sie 
werden auch nicht auf die fortgeschrittene Bildung des 19. Jahrhunderts 
provociren wollen und der Meinung sein, daß diese es sein wird, die uns 
vor all solchen Gesahren hinlänglich bewahren wird. Sie werden sich der 
Worte Washingtons erinnern, die derselbe jenen jacobinischen Sendlingen, 
die ihn des Mangels an Freisinnigkeit bezichtigten und gegenüber seinen Be- 
denken gegen das, was sie Liberalizmus nannten, die Bildung damals des
	        
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