Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

142 Reichstag- 
überzeugen, daß es gewisse couservative Grundsätze und Principien 
giebt, dle man nicht angreisen und nicht verleugnen darf, weil sie der ge- 
meinschaftliche Boden sind, auf dem man auch mit steht. Plato, 
meine Herren, ist mir auch nicht ganz unbekannt, ich habe aber auf dem 
Gebict, auf dei wir uns jetzt bewegen, mehr von Patow als von Plato ge- 
lernt. (Große Helterkeit.) — Nun, meine Herren, nach diesem Excurs zu dem 
eigentlichen Thema unserer heutigen Berathung: Meine Stellung zur 
Diätenfrage lst die, daß ich sie meinerseits betrachte nicht bloß als eine 
Parlamentsfrage, sondern als eine Staat frage im allereminentesten 
Sinn, nicht bloß als eine Geld frage, sondern als eine Systemfrage, die sich 
nicht bloß auf die Zusammensetzung des Norddeutschen Reichstags bezieht, 
sondern die durch ihre Rückwirkung und Wechselwirkung zugleich dominirend 
und entscheidend sein wird für die Gesammtentwickelung sowohl unseres enge- 
ren Vaterlandes, als des gesammten Deutschlands überhaupt. Meine Herren, 
die Deductionen, die wir soeben von dem verehrten Herrn Redner, welcher 
vor milr auf dieser Tribüne stand, gehört haben, bedürfen, wie ich glanbe, 
keiner sehr tiefgehenden Wiederlegung. Alles, was er gesagt hat, wird eigent- 
lich durch die Herren selbst widerlegt, die ich die Ehre habe hier vor mir 
zu schen. Meine Herren, dieses Haus ist gewählt ohne Diäten, (Mehrfacher 
Ruf: Nein! nein!) also auf derselben Basie der Verfassungsurkunde (Wie- 
derholter Ruf: Nein! nein!); es ist gewählt worden auf derselben Basis, 
wenigstens wir aus Preußen — wenn Slie denn dieses wirklich näher be- 
schränken wollen — wir Alle aus Prenßen sind ohne Di#ten gewählt, wir 
haben auch keine bekommen, und ich glaube nicht, daß gerade die Preußischen 
Abgeordncten so außerordentlich nach Mecklenburg schmecken, wie der Herr 
Abgeordnete gesogt hat, ich glaube eher, er schmeckte selbst mehr darnach. 
(Große Helterkeit. Sehr gun! Bravok rechts.) Ich meine auch nicht, meine 
Herren, daß die Diätenversagung die Beamten oder gar die Intelligenz aus 
diesem Hause heraushalten würde. Es giebt bekanntlich auf dem Geblete 
der Intelligenz ein gewisses Proletariat, dieses wird wahrscheinlich heraus. 
gehalten, — aber ich glaube nicht, meine Herren, daß es irgend ein Verlust 
ist, wenn das Proletarlat der Intelligenz aus den parlamentarischen Ver 
handlungen des Deutschen Volkes durch die Versagung der Diüäten heraus- 
gehalten wird. (Ruf: Sehr richtig!) Und, meine Herren, ich will die Gründe 
dafür nicht näher ausführen, sie könnten vielleicht zu stark klingen für die 
Ohren einer Deutschen Versammlung; ich bitte nur die Herren, die sich mit 
dieser Frage beschäftigen, das neueste Buch des Englischen Hauptdemokraten 
Stuart Mill lÜber diese Frage zu lesen, da werden Sie alle diese Gründe 
zusammengestellt finden, die für die Versagung der Diäten sprechen. Dieser 
Mann, meine Herren, ist der entschiedeuste Versechter des allgemeinen direc- 
ten und glelchen Wahlrechts bis auf die Frauen herunter, und dessenunge- 
achtet täuscht er sich nicht einen Augenblick darüber, daß man die ganze 
Vertretung auf den Kopf stellen w##rde, wenn man nicht damit zugleich die-
	        
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