Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

146 Reichstag. 
Heiterkeitl) Wenn Sie, meine Herren, das will ich Ihnen von meinem 
Standpunkte aus zugeben, dahin kommen, unser Deutschland soll keinen 
Minister haben, der Gehalt bezieht, dann ist die Consequenz die, daß die 
Mitglieder der gesetzgebenden Gewalt keine Diölen haben, aber srüher nicht! 
(Grobe, anhaltende Heiterkeit.) Ich stehe auf dem Standpunkt, daß 
für die Wirksamkeit im össen lichen Leben Diäten gegeben wer- 
den. Darum ist mein Standpunkt auch consequent, daß der Minister 
Gehalt haben muß. Also beldes angenommen oder beides verwor- 
fen! Es würde Überhaupt eine große Verkehrtheit und eine Verkennung 
sein, namentlich vom Standpunkte des Realpolitikers aus — und von dem 
will die Mehrzahl der Versammlung ja Alles betrachtet haben, — wenn 
Sie nicht zugeben wollen, daß selbst für den Idealisten ein gewisses 
Maß des Geldes unbedingt nothwendig sei. Wir nennen einen Men- 
schen der mehr auf das Geld giebt in einem hohen, wichtigen Berufe, als 
er sollte, interessirt; aber we#n er gar keinen Werth darauf legt, wenn 
er die Nothwendigkeit eines bestimmten Maßes nicht anerkennt, so pflegen 
wir ihn nicht besonders zu achten, sondern leichtsertig zu nennen. Meine 
Herren, Sie werden also durch die Ablehnung der Diäten nicht das, was 
Sie wlluschen, erreichen, Sie werden nicht erreichen, daß nur vollständig un- 
interessirte Menschen, nur folche, die das Geld gründlich verachten, hierher 
lommen, Sie werden kein anderes Resultat haben, als daß eine solche Ver- 
sammlung ausschließlich aus so wohlhabenden Leuten besteht, denen gar 
nichts daran liegt, ob sie drei oder sechs Jahre hintereinander in der Reci- 
denz leben und viel Geld ausgeben. Sie werden ausschließlich nur eine 
Versammlung von Reichen haben, und Herr von Below erreicht 
durch selnen Satz, „keine Diäten zu geben“, nicht was er will, son- 
dern das Gegentheil. Es wird dadurch nicht eine Unterschätzung, son- 
dern eine Ueberschätzung des Geldes bewirkt. (Sehr wahr! links.) 
Ueberlegen Sie sich die einsachen Folgen, die es haben wird, wenn 
Sie die Diäten streichen. Meine Herren, Sie werden eine Versammlung 
bekommen, die ausschließlich aus Reichen besteht. Sie werden mir sagen: 
Sollen denn die Reichen ausgeschlossen sein? Ja, das ist eben gerade das, 
worüber ich mit Ihnen zu sprechen habe. Sehen Sie nach der Schweiz, 
da ist das allgemeine Wahlrecht, vor dem viele von Ihnen so besorgt sind; 
sehen Sie nach Nordamerika, da ist das allgemeine Wahlrecht. Findet 
dort das statt, was Sie befürchten? Finden Sie dort solche Resultate, daß 
Sie sich hier nach einem „Correctiv“ umsehen müssen? Finden Sie dort, 
doß die Besitzlosen durchaus Besitzlose in die gesetzgebende Versammlung 
wählen? Finden Sie nicht vielmehr, daß die Gesetzgebung der Schweiz we- 
sentlich den socialen Zuständen derselben entspricht, und finden Sie nicht, daß 
es in Nordamerika ganz ebenso ist? Ja, wenn wir blos Besitlose hinein- 
gewählt belämen, so würde ich mit Ihnen ganz derselben Meinung sein, 
denn dann wüllrde die gesetzgebende Versammlung dem wirklichen Zustande
	        
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