Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Arnkel 33. Biemarck. 149 
Meinung, sondern diejenigen Männer, die diese Gesetze, diese Institutionen 
sor Preußen und für ganz Deutschland geschaffen haben, die haben sich ein 
unsterbliches Verdienst dadurch erworben, daß sie verahnend wußten, daß 
Sitte und öffentliche Meinung dahin streben würden, sie waren gewisser- 
maßen die ersten Symptome dieser kommenden öffentlichen Meinung, und 
wir haben gesehen, was diese Institutionen gewirkt haben, und es find nur 
schlechte Leute, welche derartige Gesetze zu übertreten wagen. Ganz anders 
sleht es aber mit der zweiten Klasse von Gesetzen, mik denjenigen, welche 
hinter der Sitte und der öffentlichen Meinung zurück sind; ich will Ihnen 
anch solche nennen: der Zunftzwang und der Kirchenzwang. Meine Herren, 
da haben Sie zwei solche Dinge. Geben Sie heute einmal ein Gesetz, das 
den Arbeiter wieder in eine Zunft hineintreibt; geben Sie ein Gesetz, das 
Jemanden zwingt, seine religidse Meinung nicht ohne weitere Rücksicht aus- 
sprechen zu dürsen, was werden Sie dadurch erreichen? Und sind es die 
Schlechten etwa, die sich widersetzen würden? Nein, es sind gerade die 
Besten, die Edelsten, dlejenigen, die die spältere Zeit noch als Märtyrer ver- 
ehrt. In welcher Lage werden Sie sein, wenn Sie den Artikel 29 anneh- 
men? Sie werden ein Gesetz geben, das mit der Sitte und der öffentlichen 
Meinung im Widerspruch steht. Sie werden ein Gesetz geben, das auch die 
besten Männer zu umgehen wissen werden. Mittel dazu sind ja natüirlich 
vorhanden; es kann ja begreiflicher Weise eine Wählerschaft zusammentreten 
und sagen: „wir wollen es nicht als eine Entschädigung geben, aber hinter- 
her kann man dem Manne ein Geschenk machen.“ Das läßt sich machen, 
Meine Herren, dagegen kann man geseyzlich nichts sagen. Nun zum Schluß! 
Sie haben ein großes Prinzip angenommen mit dem Prinzip des all- 
gemeinen und geheimen Stimmrechte. Run, ich will der Versamm- 
lung wünschen, daß fie es auch großar ig durchzuführen wisse, daß sie 
nicht im Kleinen stolpert. Wenn man Kleines an das Großartige 
hängt, ist man kleinlich, und das würde herabwürdigend für unsere Ver- 
semmlung sein. Wie der Adel der Geburt gewisse Berpflichtungen auferlegt, 
so legt auch der Adel des Geistes gewisse Verpflichtungen auf; 
und wenn Sie ein Werk des Geistes geschaffen haben, auf das Sie stolz sein 
können, die Erklärung abzugeben, daß Sie als Vertreter der Deutschen 
Nation das allgemeine Stimmrecht adoptiren, ja dann, meine Herren, haben 
Sie auch die Consequenz dieses großartigen Prinzips und weisen Sie jede 
Verchrung des Mammons und jede kleinliche Kautel zurück. (Bravol) 
Präfident der Bundescommissarlen Ministerpräfident Graf v. Hismarck.“) 
Ich habe im Namen und im Auftrage der hohen verblndeten Re- 
Ert# Pr. S. 474.
	        
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