Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artkel 32. Hering. 151 
Stellung zum Staate und in Folge des Vertrages, den sie mit dem Staate 
eingegangen sind, nicht berechtigt sind, auch noch ihre Stellvertretungsgelder 
gewährt zu erhalten, und well ich darin ein Privilegium der Beamten sehen 
würde allen Anderen gegenhber, die durch ihre Theilnahme an dlesem Hause 
große Aufwände zu decken haben. Meine Herren! Ich habe aber nunmehr 
aus dem Munde des Herrn Präsidenten der Bundescoumlssarlen den Auf- 
schluß erhalten, daß allerdings hier die Ausdrlicke Besoldung und Ent- 
schädigung gewählt worden sind für Tagegelder und Reisekosten, und 
in dieser Richtung, meine Herren, muß ich mich ganz entschieden gegen 
Artikel 29 erklären. Es ist schon von diesem Platze aus vorhin Verschiede- 
nes dagegen gesprochen worden, und ich glaube, daß ich mich sehr kurz fassen 
kann. Ich will bloß noch von elnigen Einwendungen sprechen, die in der 
Regel dieser Frage entgegengesetzt werden und die meines Wissens bisher noch 
nicht erwähnt sind. Ich bin wohl der Auffassung im Laufe dieser Tage 
hier und da begegnet, daß diese Frage eine Frage — wie soll ich sagen? — 
der Delicatesse, des Anstandes wäre. Ja, meine Herren, das war sie viel- 
leicht vor 15, 20 und 30 Jahren; heutzutage nicht mehr. Sie war es so 
lange, als die Landtage von dem Volke noch nicht begriffen wurden, so lange 
als die Landtage für bloß nutzlose und kostsplelige Institutionen des Staates 
halten; sobald aber das Volk erkannte, daß und welche Bedeutung die Land- 
tage hatten, von dem Augenblicke ab ist bis in die kleinste H#tte die Ueber- 
zeugung gedrungen, daß die Gewährung von Diäten an die Abgeordneten 
durchaus nothwendig sei. Ich halte die Zahlung von Tagegeldern allerdings 
auch f#r eine Cardinalfrage, ich halte sie für eine Schutzwehr des passiven 
Wahlrechts und ich halte den Bestand derselben für einen Gegenstand, auf 
ben man, wie neulich der Abgeordnete für Wiesbaden sagte, aus dem Trans- 
port aus den Landtagen der einzelnen Länder in den Reichstag wohl Acht 
haben muß und den nicht zu verlieren wir alle unsere Kräfte ansetzen müssen. 
Wem darüber irgend noch ein Zweifel hätte beigehen können, dem, meine 
Herren, muß er gelöst worden sein durch die vorhin schon von diesem Platze 
aus citirten Worte der gestrigen Rede des Abgeordneten von Below, welche 
in dem Aueruf gipfelte: keine Disten! der sich mit der Aussicht auf An- 
nahme des Artikels 29 darüber tröstete, daß die Schlußbestlmmungen des 
Artikels 21 im Reichstage nicht durchgegangen waren. Es ist vorhin schon 
erwähnt worden, meine Herren, daß Sie mit Annahme des Artikels in diesem 
Sinne die Beamten, die Sie gestern zu dieser Thür hereingebracht haben, 
heute zu jener Thür wieder hinausbringen werden. Aber Sie werden außer- 
dem noch eine ganze Masse anderer Leute ausschließen, deren Aufzählung ich 
mir hier ersparen will. Ich erblicke in Entziehung von Tagegeldern an die 
Abgeordneten ein Privileglum und zwar das gehäffigste, das Privileglum des 
Geldsackes. Melne Herren! Ich will Ihnen — und namentlich sage ich 
dos zu dieser Seite des Hauses (rechts) — eine andere Autorität nennen 
für die Belbehaltung der Tagegelder für die Abgeordneten. Die Ernestiner
	        
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