162 Reichstag.
darauf zuschreibe. Aus den alten Preußischen Provinzen befinden
sich hier im Hause 87 unmittelbare Staatsbeamte, außerdem noch
21 außer Dienst und 6 Communalbeamte, im Ganzen 60 Pro-
eent unserer ganzen Versammlung. Ja, meine Herren, wenn man diese
60 Procent oder auch nur die 46 Procent der unmittelbaren Staatsbeamtm
ausschließt, würde allerdings die Physiognomie des Hauses sich sehr verän-
dern und viele Gesichier würden in der Zukunft fehlen. Das Uebrige halte
ich vou weit geringerer Bedentung in Bezug auf die Zusammensetzung des
Reichstags selbst. Das Eine möchte ich noch hinzusügen: die Zahl der
Gutsbesitzer ist ungefähr dieselbe geblieben: im Abgeordneten-
hause 37 Procent, hier im Reichstage ans den alten Preußischen Pro-
vinzen 40 Procent. Das Einzigste, was sich sehr erheblich ver-
ändert hat, ist die Zahl der Judustriellen, Handel= und Gewerbe-
treibenden; deren gab cs im Preußischen Abgeordnetenhause 14
Proeent, hier nur 4 bis 5 Proeent. Ich wage nicht zu entscheiden,
in wic weit hierauf das dircete Wahlrecht Einfluß gellbt hat. Man könnte
aber wohl versucht sein, Herrn Wagener darin beizustimmen, wenn
er neulich erklärte, daß das direete Wahlrecht dahin wirken könnte,
dic liberale Bourgcoisie zu entfernen. Herr Wagener hat bei fru-
heren Gelegenheiten im Abgcordnetenhause ähnliche Wendungen gebraucht,
welche darauf hindenteten, daß die ärmeren Klassen mit der Regie-
rung gegen die Mittelklassen ins Feld zu führen wären; er sprach
ansdrücklich von den Bataillonen der Arbeiter, die gegen die Bour-
geoisie marschiren könnten und das ist allerdings eins von denjenigen
Diugea, welches mir gegen das allgemeine dirrete Wahlrecht, wie es die
jetzige Regierung proponirt hat, und mit den Elauseln, welche sic hinzuge-
fügt hat, ein sehr lebhaftes Bedenken erregt hat. Auf der einen
Seite die militairische Kraft, fester und ausgedehnter als je, in
kriegsherrlicher Hand zusammenge faßt, und daneben das allge-
meine gleiche direete Wahlrecht; das sind die Mittel, mieine
Herren, mit denen in Frankreich die eäsarische Dietatur aufgebaut
ist. Meine Herren, die Diätenfrage läßt sich von diesen allgemei-
nen Erwägungen nicht krennen; sie ist einer von den Punktea, die bei
dem Ganzen sehr erheblich ins Gewicht fallen, und diese Frage meine ich
lediglich nach unsern Deutschen Verhältnissen entscheiden zu
müssen. Der Herr Vertreter der Königlich Sächsischen Regierung
meinte, es würden auch ohne die Diöten die Männer nicht fehlen,
und zwar keiner Partei fehlen, welche bereit wären, in parlamentarische Ver-
sammlungen einzutreten. Nach den bisherigen Erfahrungen Preußens
ist das nicht ganz richtig. In der früheren, gewählten Ersten Kammer
war es ziemlich schwierig, Candidaten für dieselbe zu finden; es hatte das
die Folge, dah eine ansnahmsweis große Zahl von Berlinern hineingewählt
wurden; wenn ich nicht irre, gab es eine Zeit, wo in jener Kammer mehr