8 Reichstag.
Zeit dar; wie man andererseits anch nicht wird in Adrede stellen können,
daß dasselbe noch eine der weseutlichsten Stützen unserer staatlichen Ordnun-
gen ist. Und eine solche Klasse von Staatsdürgern, welche in der Vergangen-
heit eine so breite geschichtliche Grundlage hat, welche so tiefe Wurzeln ge-
schlagen hat in dem ganzen Volks= und Staateleden, welche noch Deutigen
Tags und noch auf lange Zeit hin als unentbehrlich detrachtet werden muß —
eine solche Klasse von Staatsbürgern wollten Sie von der wichtigsten
Thätigkeit des Staates, von der Gesetzgebung ausschließen! —
Ich glaube, daß dies für die ösfentlichen Interessen höchst nach
theilig sein würde: Sie würden eden eine geistige Krast, die durch ihre
Kenntniß der soeialen und politischen Zustände und durch ihre Bildung vor
Allem berusen und defähigt ist, an der Gesetzgebung mitguwirken, beseitlgen.
Sie können sagen, melne Herren, daß die Mitwirkung des Beamtenthums
an der Gesetzgebung dem Staat, der Regiernug keineswegs entzogen
ist, daß vielmehr die Reglerung jeden Augenblick die Mithülfe
ihrer Beamten in Anspruch nehmen kann. Ja wohl, meine Herren;
aber auch das Volk bedars der Mithülfe, das Volk kann der Be-
amten in der Gesetzgebung nicht entdehren. Denn es ist ein anderes
Ding, ob er als Beamter seinen Bericht erstattet an die vorgesetzte Behörde
unter dem Siegel des Amtsgeheimnisses, oder ob er im Lichte der Oeffent-
lichkeit eine Rede hält. In beiden Fällen wird sein Urtheil über denselben
Gegenftand sehr leicht wesentlich verschicden ausfallen. Ich vergesse nicht,
meine Herren, daß wir, um die Bildung und die geistige Kraft der Beamten
für die Gesetzgebung entbehrlich erklären zu können, wir in neuerer Zeit, in
den letzten 30 bis 40 Jahren, die militairische und bürgerliche Bil-
dung an der Hand der Realwissenschaft haben erstehen sehen. Auf
diese Bildung mit ihrer reichen Blüthe ist allerdings ein großes Gewicht zu
legen, und man könnte derselben gegenüder allensalle sagen, das alte Beamten-
thun hade seine frühere große Bedeutung für uns verloren. Was nun ader
dic militairische Bildung detrifft, so würde diese doch wohl der Gesetz-
gebung ebenfalls entsallen, wenn das mit dem Beamtenthum geschieht; denn
dei den Osfficieren gelten doch ganz dieselden Rücksichten für
die Ansschließung von dem passiven Wahlrecht, wie sie bel den Be-
amten geltend gemacht werden, und vielleicht in einem noch höheren Grade.
Die bürgerliche Bildung findet sich vorzugeweise in den Kreisen der
Grundbesitzer, der Industriellen und der Kanfleute. Mit aller Achtung vor
dleser Bildung misssen wir ader doch gestehen, daß ihr die Vertiefung
und Ansbreltung bel ihrer Ingend noch fehlt, welche der Jahr-
hunderte alten Gelehrtenbildung des Beamtenthums beiwohnt. Es sind nun
allerdings in lideralen Kreisen vielfach für den Ausschluß des Beamten-
thums Stimmen laut geworden, und zwar aus dem Grunde, daß einerseits
die Beamten zu abhängig seien von der Regierung, andererseits aber auch
der Sitz in den Volksvertretungen von dem Einen oder Anderen derselben