Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

12 Neichsiog. 
des Volles als gegenüber dem Volke Stehendes, sondern betrachte sie als 
einen organisirten Factor des Volkes, und deshalb, weil dies meine 
Anschauung ist, halte ich es für nothwendig, daß zwischen ihnen und 
derjenigen Vertretung, die das bewegliche Element im Volke 
in sich schließt, noch ein zweiter Factor steht, welcher die Kraft des 
Stoßes allzu hestiger Bewegung ablenkt: ich meine ein Oberhaus. Hätte 
ich die Möglichkeit eines Oberhauses iu dlesem Entwurf gefehen, 
so würde ich mich viel eher dazu haben cutschließen können, das Gebiet der 
Competenz des Reichstages zu erweitern. Weil ich aber diese Möglichkeit, 
ohne den Entwurf in seinen Wesenheiten zu ändern, nicht sehe, war auch 
dies für mich bestimmend, die Competenz auf diejenigen Punkte, 
diejenigen Ziele einzuschränken, die wir dem Reichstage, der Gesetz- 
gebung des Bundes gesteckt haben, die Sicherheit, die materielle Wohl- 
fahrt und, wie wir sehr glücklich hinzugesügt haben, die auf Rechtsein- 
heit gerichteten Bestrebungen. Wenn ich nun, meine Herren, auf 
der einen Seite ans diesen Gründen an dem Priucip des Entwurfs, soweit 
er die Competenz auf jene Ziele einschräukt, sesthalten müßte, so fühle 
ich mich anf der anderen Seite verbunden, dieses allgemeine, direete 
und geheime Wahlrecht pure zu acerptiren. Ich muß mich deshalb ent- 
gegen dem Amendement von Brünneck, auch gegenüber dem 
Amendemenk, welches ein Oberhaus einführen will, für die Annahme 
des Artikels, soweit er dieses Haus aus directen, allgemeinen und geheimen 
Wahlen hervorgehen läßt, aussprechen. Ich verkenne nicht die großen, sehr 
wesentlichen Bedenken, welche aus der Natur des allgemeinen Wahl- 
rechts sich ergeben. Aber ich melne doch, es hat auch seine sehr großen 
und wesentlichen Vortheile, und ich werde mir erlauben, aus mehrere 
Punkte hinzudeuten, von denen aus ich es für möglich halte, die couservative 
Natur des Staates — und ich nehme hier eonservativ nicht im Sinne der 
Parteistellung, sondern in dem Sinne, wie es die große Mehrheit des Hauses 
für sich aceeptiren wird, im soeialen Sinne — die conservativen Grund- 
lagen des Staates zu erhalten, die die weit überwiegende Mchrheit dieses 
Hauses wohl erhalten wissen will. Es sind in dieser Richtung im Ent- 
wurfs einige Corrective enthalten, auf die ich nicht näher eingehen will, 
da sie gewiß noch sehr weitläuftig von beiden Seiten werden rrörtert wer- 
den. Meine Freunde und ich haben selbst ein Amendement einge- 
bracht, welches augenscheinlich den Zweck hat, dem Wahlgesetz nach einer 
Richtung hin eine Gesahr zu nehmen, nämlich die Verlängerung der 
Legislaturperiode auf fünf Jahre. Es wird anch darüber noch ge- 
sprochen werden und ich will in dieser Bezlehung nur den einen Gesichts- 
punkt hervorheben, daß schon deshalb — abgeschen von den später noch zu 
erörternden altgemeinen Gründen — r# uns wllnschenswerkh scheint die Legis- 
laturperiode zu verlängern, weil es nothwendig ist, die Agitation, die noth- 
wendig solchen Wahlen vorausgehen muß, möglichst von der einzelnen
	        
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