Artikel 53—56. Allgemeine Discussion. Schleiden. 237
Aller binnen kurzer Zeit. Brasilien öffnet seinen Amazonenstrom für alle
Nationen; am La Plata kämpst man jetzt für den Zweck, auch diesen großen
Strom allen Nationen zu öffnen. Wir brauchen deshalb nicht auf Eroberun-
gen in fremden Löndern auszugehen, wir brauchen nicht einmal so weit zu
gehen, einen bestimmten Schutz zu suchen. Meine Herren, ich könnte Ihnen
viele Beispiele anführen, wo die deutlichste Ersahrung gezeigt hat, daß der
Demsche Handel Vortheil davon gehabt hat, daß er nicht unmittelbar ge-
schützt war von einer krästigen Marine, die hinter ihm stand. Ich will Sie
nur an ein einziges erinnern, an das Bombardement von Valparaiso im
vorigen Jahre; alle Nationen haben dort Schaden gelitten, nur diejenigen
nicht, die keine Flotte hinter sich hatten, die kein Kriegsschiff im Hafen von
Valparaiso hatten; denn dieienigen Kaufleute, welche diesen Schuy nicht hatten,
wußken wohl, daß sie bei Zeiten sorgen mußten, ihre Güter in Sicherhelt
zu bringen; (Heiterkeit) sie schafften sie fort, weil sie von anderer Seite zer-
stört worden wären; und keine Kanonenkugel ist abgeseuert worden von Sei-
ten der Kriegsschiffe, die zum Schutze ihrer Nationalen dort waren. Meine
Herren! So lange es keine Staatsmarine gab, so lange ein Völkerrecht und
ein allgemeiner Rechtsschutz noch nicht entwickelt war, war es allerdings ge-
boten, daß die Handelsschiffe selbst sich bewaffnen mußten. Wir haben die
Geschichte der Hansa, wir haben die Geschichte der groben Handelscompagnien,
die, wie die Holländisch - Ostindische, die die Molucken und Malakka eroberten,
von Java aus den Handel mit Japan eröffneten; wir haben die Englisch-
Ostindische Compagnie, die das Indische Reich gründete. Das Alles ist mit
der Zeit verschwunden und mußte verschwinden, weil man dessen nicht mehr
bedurfte. Mit Herstellung geordneter Zustände, mit dem völkerrechtlichen
Schutz, der jetzt Überall gewährt wird, ist das Bedürfniß nach einem Marine-
Schutz im Auslande bei weitem nicht mehr so groß wie früher. Wenn Sie
zurückblicken auf die letzten zwanzig Jahre, so bin ich Überzeugt, Sie konnen
kein einziges Beispiel auffinden, wo z. B. die gegenwärtige Handelsflotte der
Hansesiädte in den Fall gekommen wäre, sich einen solchen Schutz zu wün-
schen. Die Hansestädte haben Überall ebenso vortheilhaste und häufig vor-
theilhastere Handelsverträge abgeschlossen als andere Staaten, die eine Marine
hinter sich hatten. Sie haben niemals Collisionen mit fremden Staaten,
namentlich mit den kleinen überserischen Republiken gehabt, aus dem einsachen
Grunde, weil jene Staaten wußten, sie hatten nichts von den klelnen Staaten,
den Hanfestädten, zu fürchten, weil sie sich durch das Erscheinen irgend eines
Kriegsschiffes nicht in ihren Rechten bedroht sahen. Was die Bemerkung
betrifft, die der geehrte Abgeordnete von Bremen uns hier gemacht hat über
das Verhältniß der Handelsmarine zur Kriegsmarine und den Seemannschaf-
te, so ist dieselbe gewiß vollkommen richtig. Nach den mir vorliegenden —
so weit ich vermochte, aus officiellen Quellen geschöpsten — statistischen An-
gaben, glaube ich, können wir sagen, daß die gesammte Norddeutsche See-
bevölkerung, d. h. die Zahl der Matrosen für die Schiffe langer Fahrt und